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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0159

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Cassel.

141

Cassel.

Dorf von 900 Einwohnern, l\l2 Stunden östlich von Gelnhausen am Einfluss des Casselbaches in die
Bieber, einen Nebenbach der Kinzig.

Der Name lautet beim ersten Vorkommen im Jahr 976 cassele und so bis 1344, 1371 bereits Cassel
und ist wohl von einem castellum, des Pfahlgrabens, abzuleiten (hierüber Specialliteratur).

Der Ort gehörte neben Wirtheim und Höchst zu den kaiserlichen Kammergütern, mit welchen das
Collegialstift von St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg bei seiner Gründung 976 ausgestattet wurde
(Simon I, p. 120) l). Sie bildeten das Gericht Wirtheim, welches bis 1588 im Besitz des Stiftes blieb, dessen
gemeinsame Schicksale bis zur Einverleibung in Preussen unter Wirtheim geschildert werden. Daneben scheint
das Dorfgericht Cassel schon um 1292 an die Grafen von Weilnau vererbleiht, aber nach deren Aussterben
heimgefallen zu sein.

Die drei Orte bildeten auch eine Pfarrei mit der Mutterkirche zu Wirtheim, von welchem Cassel erst
1785 wegen Anwachsens der Bevölkerung und wegen des bei Ueberschwemmüngen schwierigen Kirchganges
abgetrennt ist. (Näheres in Bavaria IV, p. 538, Wolf, p. 66, 82.)

Die Pfarrkirche.

Bei der Erhebung zu einer selbständigen Kirche wurde nach Wolf p. 162 die alte angeblich am Chor
mit Aer Jahreszahl 1313 versehene Capelle „bis auf den Grund abgebrochen, und an der alten Stelle eine
erheblich grössere neu gebaut." Der Titel der Capelle ist unbekannt. Die gegenwärtige Kirche, welche auf
den Tafeln 227 bis 230 dargestellt ist, hat den Tab. 242 gegebenen Grundriss.

An ein breites, flachgedecktes Schiff schliesst sich durch einen ungegliederten kämpf erlosen
Triumphbogen verbunden, ein langer ebenfalls flachgedeckter Chor. Letzterer hat keinen Sockel und kein
Dachsims, dagegen bemerkt man Spuren alter Spitzbogenfenster, und einer nachträglichen Erhöhung um ca.
1,5 m unter Einsetzung neuer, oben rund geschlossener und hier mit einem Falz gegliederter unprofilirter
Fenster. An der Südecke der geraden Chorwand sitzt ein grosser Quaderstein in altem Verband, mit einem
Wasserschlaggesims, das ein darunter befindliches rundes, jetzt abgespitztes, Schild (Wappen oder Relief?)
schützte, unter dem die Tab. 242. B. 2 wiedergegebene schwer zu entziffernde Inschrift steht, welche Wolf
1313 las, die aber schon nach der Form des Trennungszeichen § nicht ins 14. Jahrhundert gehören kann, und
ADIM §11111'A, d. h. 1507, zu lesen sein dürfte. Das Schiff hat einen auf der Westseite in ein Karnics
umgewandelten Fasensockel, und reiches antikisirendes Daehgesims. Die Fenster sind den neuen Chor-
fenstern gleich. Die Westfacade ist durch einen geschweiften mit profilirten Platten abgedeckten Giebel und
durch Ausbildung der Eckquadern zu Pilastern ausgezeichnet.

Das Tab. 228 abgebildete Westportal hat auf dem Sturz ein Chronogramm, und zierlich flach-
geschnitzte Thürflügel, wie solche einfacher sich auch an der Südthüre finden.

INTROITE IN CONSPECTV DEI IN EXVLTATlONlBVS ET SERVlTE El IN TREMORE

also MDC0LXVVVVIIIIIII1I = 1789.

Nahe dem Westende sitzt ein Dachreiter mit Glockenhaube und einfachem aber schönem Thurmkreuz.

Das Innere mit Spiegeldecken versehen, ist leider neuerdings durch eine schwere romanisirende,
dem Bau ganz unangemessene Bemalung2) entstellt, was umsomehr zu bedauern ist, als die gesammte wohl-
erhaltene der Umbauzeit angehörige Ausstattung, wie Tab. 229 zeigt, sich durch zierliche Eleganz auszeichnet,
und im Verein mit der alten leichten Bemalung einen höchst wohlthuenden Eindruck gemacht haben muss.

Die Westempore in der Mitte flachbogig vorspringend, steht auf antikisirenden Holzpfeilern, hat
reichgekehltes verkleidetes Gebälk und eine Dockenbrüstung.

*) Fehlt im Urkmidenbuch. 2) Man hat sogar Säulen mit romanischen Oapitälen dem ungegliederten Triumphbogen aufgemalt!
 
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