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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0183

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Niedergründau.

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Niedergründau.

Dorf von 580 Einwohnern, lx/2 Stunden westlich von Gelnhausen. War ehemals Sitz eines eigenen
Centgerichtes, und gehört zum Amtsgericht Gelnhausen. Der Name erscheint in Urkunden zuerst 1217 als
Grinda (Urk. I, p. 103), 1219 als Grinda media et inferior, 1268 lautet er Grindaha und ist (nach Arnold
p. HO) von grint, grand = Sand abzuleiten, bedeutet also ein sandiges Wasser, (Bach).

Zu dem Centgericht gehörten die Orte Lieblos, Rothenbergen, Niedergründau, Mittelgründau, Roth,
Gettenbach. Haitz, und vor seiner Erhebung zur Reichsstadt auch die Mark und villa Geilnhusen. Die Gerichts-
stätte befindet sich bei der „Bergkirche", welche bereits 1217 urkundlich genannt wird. Die Gerichtsherrlichkeit
hatten 1317 die von Breuberg als Reichslehen (oder Pfand?) inne, sie kam dann durch Erbgang in die Hände
der von Eppstein und Trimberg, durch Pfandschaft von diesen an Hanau und an die Stadt Gelnhausen. Von
Eppstein eingelöst, wurde sie gegen Protest des Königs Sigismund an Dieter von Ysenburg verkauft (1425 Archiv
zu Birstein, rothes Buch). Im Anfang des 16. Jahrhunderts besass es aber dennoch die Ronneberger und seit
der „ßaupttheilung" von 1684 die Meerholzer Linie des Hauses Ysenburg (Simon I, p. 54). Der Blutbann aller
Ysenburgischen Gerichte blieb aber mit Zustimmung von Maximilian I. in Büdingen.

Die Orte des Gerichtes gehörten und gehören noch bis auf Gelnhausen und Haitz zu der Pfarrei der
Kirche von Niedergründau, welche 5 Minuten vom Ort gelegen ist.

Die Peterskirche = Bergkirche

liegt weit sichtbar auf einem in die Ebene vorspringenden flachen Hügel neben dem Pfarr- und Küsterhaus
mit ihren Nebenbauteh. Im Jahr 1217 aug. 15. erneuerte König Friedrich II. dem Kloster Seibold den Rositz
derselben quia cum felicis memorie nobilis femina Gisla comitissa parochialem ecctesidni in Grinda in sua proprie-
tate sitani conventuali ecclesie in Seiholt . . , contulisset . . . nostri predecessores . . . in hereditatem tnemoratae
feminae mccedentes . . . dictum ccclesiam . . . clericis secularibm contnlcriiiil. Urk. [, p. 103.

Wann diese Gisla gelebt, welcher Familie sie angehört, und wann sie die Kirche gestiftet, ist nicht
urkundlich belegt. Gisla dürfte der allgemeinen Annahme entsprechend eine Gräfin von Gelnhausen gewesen
sein, und die Stiftung muss vor 1170 fallen. Die Kirche selbst bestand aber bereits früher, da sonst oben
sitam contulisset, nicht hätte gesagt werden dürfen, sondern conditain. Dieselbe war, wie die Klosterkirche zu
Seibold, dem heil. Petrus geweiht, wie sich aus einem Zinsregister von 1370 (Urk. III, p. 717, i) ergiebt,
wo es heisst: Item II yker von Selbolt dabit . . . de domo in Grinda apud sanctum Petrum in qua inhabifcf.

Von diesem ursprünglichen Bau ist nichts mehr vorhanden, und auch der spätmittelalterliche; welcher
an seine Stelle getreten war, ist bis auf den Thurm durch einen geräumigen hellen aber öden, und durch die
neuesten Aufmunterungen auch des für seine Zeit bezeichnenden Charakters entkleideten Neubau im Jahr 1838
ersetzt worden. Von dein bis dahin bestandenen giebt ein im Pfarrhaus aufbewahrtes Modell, welches freilich
erst 1863 (inschriftlich) angefertigt ist, wozu aber vollständige jetzt nicht mehr auffindbare Zeichnungen und
Pläne vorgelegen haben müssen, eine gute Vorstellung. Dasselbe zeigt nach dem Aufheben des Daches und
der Balkendecke die Disposition des Innern und ist deshalb auf Tab. 261 in Ansicht und Grundriss abgebildet.

Nach demselben könnte höchstens das Schilf noch vom ursprünglichen Hau hergerührt haben, welches
auf der Nordseite ein kleines abgeschrägtes Rundbogenfensterchen zeigt, wahrscheinlich auch der gerade Chor-
theil (ursprünglich quadratischer Chor?) und die angebaute Sacristei, welche ein gleiches Eensterchen besitzt.
Der Chorschluss hatte einen gothisirenden Umbau erfahren, dessen Anordnung zunächt Zweifel an der Genauig-
keit des Modelles erregt, sich aber erklärt, wenn man erfährt, dass auch der gothisirende Thurm nach Rech-
nungen des fürstlichen Sammtärchivs in Büdingen (Culturwesen Nr. 422) erst 1556—7 neuerbaut ist, nachdem
der alte Thurm, welcher dem zu Niedermittlau geglichen haben dürfte, noch 1553 nothdürftig im Dachwerk
geflickt war. Damit stimmt es, dass auch an dem .Modell die vom Thurm zum Dachboden führende Thüre die
Ueberschrift 1557 trägt. Wahrscheinlich hat man damals durch die Büdinger Steinmetzen, welche noch an
gothischen Formen festhielten (wie wir bei Birstein z. B. sahen), auch den Chorschluss ansetzen lassen.
 
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