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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0221

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Wirtheini.

203

Der Chor, ebenfalls ohne Sockel und mit gleichem Dachsim«, entbehrt der Strebepfeiler, hat aber
grosse zweitheilige Fenster mit einfachem gutgezeichnetem Masswerk und gleichem Grnndprofil wie die Schiff-
fenster. Die Chorpforte ist im 18. Jahrh. gebrochen.

Der Thurm ist im Erdgeschoss als Sacristei eingerichtet und hat hier ein rippenloses Kreuzgewölbe,
schmale nasenbesetzte Spitzbogenfenster, und eine Spitzbogenthür mit Hohlkeblenprotil nach dem Chor. Der
Zugang zu den oberen Geschossen geschieht über eine äussere Freitreppe, durch eine hochliegende schmale
Spitzbogenpforte.

Die oberen Geschosse haben nur schmale Fensterschlitze, die Glockenstube dagegen grössere ungetheilte
hohlprofilirte Spitzbogenöffnungen.

Das Gebälk des Thurmhelmes nebst dem Kreuz ist bereits im 16. Jahrhundert erneuert.

Im Innern dessen Einrichtung der Grundriss Tab. 339 und die Ansicht 340 erläutern, gehört der Zeit
des Kirchenbaues nur an:

Das Wandtabernakel, welches wegen ungünstiger Beleuchtung sci/.zirt werden musste (cf. Tab. 339),
sowie die Piscina, welche in der Südostwand des Chores unterhalb des Fensters angebracht ist. Sie bildet
eine stichbogige gefasste Nische mit etwas vortretendem vorn gefastem Becken, in welcher ein der Frühzeit
des Kl. Jahrhunderts angehöriger Gusstopf zum Spülen aufgehängt ist.

Der Hochaltar ist ein reiches Barockwerk, von welchem man leider das Mittelbild beseitigt hat, um
die modernen Glasfenster zu einer Wirkung kommen zu lassen, die auf Tab. 340 nicht zu verkennen ist.

Der Seitenaltar mit einer grossen Marienstatue und wirkungsvollem nicht allzu überladenem archi-
tektonischem Kabinen, war wohl der alte Hochaltar der Kirche, und ist dem Marienaltar zu Orb so ähnlich, dass
ein gleicher Künstler beide geschaffen haben muss.

Die Kanzel gehört der älteren Ausstattung an. Sie ist in den Verhältnissen sehr misslungen, sowohl
was den architektonischen Rahmen an sich betrifft, als die Grösse und das Relief der Apostelfiguren von ge-
drückten Proportionen. Die Säule, auf welcher sie ruht, ist erneuert.

Der Taufstein aus Sandstein bat Pokalform mit wenigen Probien an dem kugeligen Becken und
dem Ständer und ist ohne allen ornamentalen Schmuck.

An der Aussenwand der Südseite ist eine aus Holz geschnitzte Kreuzigungsgruppe unter einem Schutz-
brett angebracht, welche von einem ehemaligen Triumphkreuz oder Schnitzaltar herrührt.

Wenn man sie auch durch einen dicken Oelanstricb gegen die Witterungseinflusse zu schützen gesucht
hat, ist es doch schade, dass dies im Körperlichen naturwahr und lebendig aufgefasste in der Gewandung von
störenden Uebertreibungen freie Werk an dieser Stelle einem sichern Untergang entgegen geht.

Eine Madonnenfigur (Gnadenbild) in manierirtem Barockstvl mit reicher Stoffkleidung überladen,
steht unter Glas auf einer Console neben der Kanzel, hat aber wenig Kunstwerth.

Glocken. Das Geläute von vier Glocken zeigt in seiner Zusammensetzung wie rücksichtslos mit den
alten Beständen verfahren is^, da nur eine der mittelalterlichen Glocken noch vorhanden ist.

Die grosste Glocke hat 0,83 unteren, 0,40 oberen Durohmesser und 0,58 Höhe. Am Hals läuft
zwischen gedrehten Fäden die schlecht gegossene Inschrift in Minuskeln:

* ave • m • g • p • 6 • tem • e • b • f • i>rf • t • amen,

d. h. der vollständige englische Gruss: ave maria gratia plena dominus tecum et beuedictus frtictus veuteris
tili. amen. Den Formen der Krone und der Rippe nach ist sie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrb. gegossen.

Die zweitgrösste hat 0,75 untern, 0,38 obere Durchmesser, 0,51 Höhe und in lateinischen Grossbuch-
staben zwischen Riemchen die Inschrift:

DFG HONOR ! VIVIS PAX ! MORTVIS RKQUIES ! WIRTHEIM 1886
Guss von Ph. H. Bach in Windecken.

Die drittgrösste bat 0,62 untern, 0,315 obern Durehmesser, 0,43 Höhe und die Inschrift:

GLOCKENGIESSEREI VON GEBR. HEINR. ULRICH I. APOLDA 1893.

Die kleinste hat 0,56 untern, 0,26 obere Durchmesser, 0,43 Höhe mit der Inschrift auf dem Feld:

GEGOSSEN VON M. S. BOSTELLI | IN ASCHAFFENBURG | PABST LEO LEBE HOCH j Nr. 329 | 1871.

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