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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0222
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204 Wirthehu. Wolferborn.

Von den Sitzen adliger Familien, welche nach Wolf p. 78 seq. sieh ehemals dort befanden, ist nur eine
erhalten und von baulichem Interesse: das alte Amthaus (Tab. 341). Es war ursprünglich ein Herrensitz der
von Lauter und ging 1582 auf deren Verwandte1), die von Forstmeister über als Lehen von Mainz. Der er-
haltene Bau wird seinem Kern nach im Beginn des 16. Jahrhunderts errichtet sein, aus welcher Periode einige
wenige im Yorhangsbogen oder Stichbogen geschlossene Fenster — im Treppenthurm und im Giebel z. B. —
herrühren. Die übrigen Fenster hatten Kreuzstöcke wie aus einem vermauerten ersichtlich. Das Portal des
Treppenthurmes hat ein Alianzwappen (das Forstmeistersehe mit Mauerhaken und ein gespaltenes mit Beil und
Kesselhaken) und ist ohne Datum, offenbar aber um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden.

Das Haus stand unmittelbar an dem Unterthor, zu welchem eine jetzt vermauerte Pforte in der Höhe
des Wehrganges führte, und seine Aussenseite lag in dem Zug der Ringmauer, war jedoch durch eine weitere
Gartenmauer geschützt. Die Innendisposition ist kaum noch zu erkennen, bietet auch nichts bemerkenswerthes.
Der reichst ausgestattete Raum lag hinter dem im 17. Jahrhundert angefügten Ausbau am Nordende, und hatte
einfache Täfelungen und Stuckdecken.

Das Rathhaus, am andern Ende des Ortes, bietet ein Beispiel der Anordnung des Fachwerkes in den
altern Häusern des Ortes.

Es ist unschwer zu erkennen, dass dasselbe ursprünglich nur einen obern und einen untern Raum
enthielt, von dem nur ein schmaler Treppenlauf an der Rückseite abgetrennt war. Der obere wurde durch
eine Reihe von 12 Fenstern (wie solche rechts erhalten sind) erleuchtet, und diente zu den Gerichtsverhand-
lungen, der untere hatte hochliegende, wohl nur vergitterte vom obersten Quer-Riegel bis zum Rahmen reichende,
kleine den oberen entsprechend liegende Fenster, und diente als Aufenthalt etwa für alle geladenen nicht
gerade Betheiligten, eine Einrichtung wie sie auch anderwärts nachweisbar ist. Dass die ein Doppelgefaeh
einnehmende Hausthüre etwas weiter rechts lag und zweifellos einen rundbogigen Schluss hatte, auf dessen
Sturz dann auch eine Jahreszahl nicht fehlte, mag noch hervorgehoben werden. Die unteren Schwellen sind neu.
Einem Pfosten des I nterstockes neben der Hausthüre ist eine Blende für ein Heiligenbildchen eingearbeitet.

Wolferborn.

Dorf von (580 Einwohnern, 3'/.t Stunden nördlich von Gelnhausen. Es war ehemals Sitz eines kleinen
Gerichtes und gehört jetzt zum Amtsgericht Wächtersbach. Der Name kommt urkundlich in zahlreichen, offenbar
vielfach willkürlichen Varianten vor, zuerst 1276 in der Form Wolfratzbrunnen, 1321 Wolfraderborn (1349
Wolfroderborner Gericht), später Wolfrade — rate — ferde — fferäde — ffraborn, Wolfryde — rite — ridde — born,
Wolfferbornen — burnen — born. und ist aus einem Personennamen, etwa Wolfrad mit born zusammengesetzt
(Arnold p. 329). Das Gericht Wolferborn war ein Reichslchen, wie aus einer Urkunde König Rudolfs vom
Jahre 1276 hervorgeht, in welcher ein officium in Wolfratzbrunnen mit einem officiatus erwähnt wird (Urk. I, 383).
Es gehörten dazu nach einem Lehnbrief K. Wenzels v. 1398 (Urk. IV, p. 696) die Höfe und Güter Hittenkirchen.
Kefenrode, Bynczensächsen, Rinderbiegen. Wer in älteren Zeiten damit belehnt war ist unbekannt. Um 1321
besassen es die Ganerben Ysenburg und Eisberg zu lj.ä und seit dem Aussterben der Lisberger 1398 erstere
allein und zwar als Pur gl eben (von Gelnhausen?) (s. o. Urk. d. K. Wenzel). Das Gericht umfasste auch
die peinliche Gerichtsbarkeit bis zum Jahr 1495, wo diese für alle Vsenburgischen Gerichte mit Genehmigung
des Kaisers nach Büdingen verlegt wurde (Simon II, 285). Lei der letzten llaupttheilung der Vsenburgischen
Besitzungen 1722 kam das Gericht an die Wächtersbacher Linie (Simon II, 366), nachdem einzelne Theile
davon früher an die Büdinger Linie abgetreten waren.

Die Gerichtsstätte befand sich unter der Linde auf dem Kirchhofe. Die Einwohner des Gerichtes waren
von der Reichszugehörigkeit her zur Unterhaltung einer der Brücken in der Burg Gelnhausen verpflichtet
(cf. p. 20).

') vergl. die verschiedenen Grabdenkmäler der v. Forstmeister und Lauter in der Kirche von Gelnhausen.
 
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