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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 10
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Frimmel, Theodor von: Jean Etienne Liotards "Liseuse": eigenhändige kleine Wiederholung im Besitz seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph I
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0207

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ZU BEZIEHEN DURCH VON ZUSCHRIFTEN AN DEN

DIE BUCHHANDLUNG HERAUSGEBER WER-

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1905. MÄRZ. Heft 10.

JEAN ETIENNE LIOTARDS „LISEUSE“. EIGENHÄNDIGE
KLEINE WIEDERHOLUNG IM BESITZ SEINER MAJESTÄT
DES KAISERS FRANZ JOSEPH I.

Der vielgereiste Genfer Liotard ist mehrmals in Wien gewesen, wo er bei
Hof in gnädigster Weise aufgenommen war. Ein entschiedenes, sicheres Auf-
treten, das sonst wohl als Hochmut gedeutet wurde, aber im Verkehr mit Hoch-
stehenden durch die feinen Manieren des Weltmannes geglättet war, gewann
ihm die Gunst der Kaiserin Maria Theresia, deren Bildnis er wiederholt malen
durfte. Diese Anerkennung verhalf ihm auch zu weiteren Aufträgen, und Liotard
porträtierte während seines langen ersten Aufenthaltes in Wien (1741 bis 1744
oder gar 1745) und später in die Kaiserstadt wieder zurückkehrend, zahlreiche
Mitglieder der kaiserlichen Familie, so den Kaiser Franz I., die Erzherzoge Joseph
(den späteren Kaiser Joseph II.), Maximilian, Ferdinand, die Erzherzogin Marie
Antoinette, die Kaiserin-Witwe Elisabeth Christine, den Herzog Karl von Loth-
ringen. Die Wiener Aufenthalte sind nicht alle völlig klar und nicht alle mit
sicheren Jahreszahlen zu versehen. Unsicher ist es, ob Liotard 1752 vorübergehend
da war; sehr wahrscheinlich wird 1762. Wir hören noch davon. Bestimmt hat
er 1777 auf 1778 wieder einige Zeit in Wien geweilt.'1') Damals wurde er bei der
Audienz von der Kaiserin huldvoll, wie ein alter Bekannter begrüßt. (Der Brief,
den er über diese Angelegenheit an seine Frau gerichtet hat, ist faksimiliert.) In
der Hofburg selbst wurden ihm und seinem Sohne vornehme Zimmer ange-
wiesen. Bei alledem hatte Liotard zu jener Zeit in Wien nicht so leichten Stand
wie früher. Denn der berühmte Schwede Roslin war zugleich mit Liotard in den
Wiener hochadeligen Kreisen beschäftigt. Roslin malte die Erzherzogin Christine,
die jedoch über die vielen Sitzungen (vier zu je drei Stunden, womit noch
immer kein Ende war) klagte. Deshalb schlug auch Maria Theresia ihrer Tochter
Marie Antoinette ab, sich von Roslin für sie malen zu lassen.**) Auch der

*) Hierzu vgl. Humbert, Revilliod und Tilanus: „La vie et les Oeuvres de Jean Etienne
Liotard“ (1897), S. 212 f. Zu den Bildnissen aus dem Kaiserhause, S. 105 ff. und 172 ff. — Das
Schokolademädchen der Dresdener Galerie könnte auch in Wien gemalt sein, auch wenn es
nicht die Baldauf darstellen sollte. Ein Liotardsches Pastell hat sich auch in fürstlich Schwarzen-
bergschem Besitz erhalten.

**) Zu diesen Angelegenheiten vgl. A. v. Arneth und Geffroy, „Marie Antoinette“ (1874),
I, 85 und 184, III, 406, und A. v. Arneth, „Maria Theresia und Marie Antoinette“ (Brief-
wechsel) 2. Aufl. 1866, S. 229 ff. Auch Humbert, Revilliod und Tilanus, S. 212 ff., und mein
Feuilleton „Verborgene Kunstwerke in Wien“ (Neue Freie Presse, 22. März 1902).
 
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