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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 3.1907

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Heft 1
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Aus der steiermärkischen Landesgalerie zu Graz
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Das Sittenbild des Siberechts in der königlichen Galerie zu Kopenhagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27900#0044

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l8

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. i.

umph des Cäsar. Sobald es der Raum
im Museum nur irgendwie zuläßt, wird
man hoffentlich diese großen Leim
wanden wieder aufrollen und wißbe-
gierigen Besuchern zur Verfügung stellen.
An den Schäden liegt nichts. Das Publi-
kum gewöhnt sich allgemach daran, zu
bemerken, daß alte Gegenstände nicht
so aussehen können, als kämen sie so-
eben aus dem Atelier.

Ist es auch verhältnismäßig nur
wenig, was heute geboten werden konnte,
so hoffe ich doch, damit einen Ansporn
zu geben, daß die keineswegs unbe-
deutende Galerie mehr und mehr von
Fachleuten und Bilderliebhabern be-
sucht und studiert werde. Es gibt noch
manches dort zu lernen.

DAS SITTENBILD DES SIBE-
RECHTS IN DER KÖNIGLICHEN
GALERIE ZU KOPENHAGEN.

Als eine der Aufgaben, die sich die Blätter
für Gemäldekunde gestellt haben, wird es an-
gesehen, daß aus großen und kleinen Samm-
lungen Bilder hervorgesucht werden, die wenig
beachtet, aber dennoch für die Gemäldekunde
von Bedeutung sind. Ich möchte recht viel
Material herbeischaffen, das die Kennerschaft
fördert, das Lücken in der Geschichte der
Malerei ausfüllt oder durch die Darstellung
irgendwelche Anziehung ausüben kann. Das
ist nahezu selbstverständlich, doch wird es
bei Beginn eines neuen Bandes dieser Blätter
dennoch ausgesprochen, um einer Menge von
Einzelstudien, die für den Band mehr oder
weniger fertig daliegen, als gemeinsamer mo-
tivierender Geleitbrief zu dienen.

D;e folgende Studie betrifft ein zwar kata-
logisiertes, aber bisher noch nicht abgebildetes
Werk des geschickten Antwerpener Malers
Jan Siberechts. Dieser Künstler war Zeit-
genosse des Jeroom Janssens, mit dem er ge-
wisse Züge, wie die Härte der Umrisse, das
meist silberig kühle Kolorit gemein hat. An-
dere künstlerische Merkmale verbinden Sibe-
rechts mit der Gruppe Gonzales Cocques,
Biset. Mit wieder anderen Eigenschaften, auf
anderen Bildern ist er als eine flandrische
Parallele zu den holländischen Italikern der
Berghem-Gruppe zu betrachten. Schon bei De
Bie im Gulden Cabinet ist das angedeutet
(1661, S. 373). Entfernte Verwandtschaft, aber

immerhin eine, die Erwähnung verdient, nähert
ihn dem J. B. Wolfers (geb. zu Antwerpen
1625, später in Haarlem tätig, gestorben um
1656), wenn ich nach dem signierten Bilde
im Ryksmuseum zu Amsterdam urteilen darf.
Die meisten Bilder, die von Siberechts bekannt
sind, zeigen ihn als großes Talent, nicht nur als
begabten, höchst geübten Zeichner, sondern
auch als feinen Beobachter mannigfacher
Lichtwirkungen und als Farbenkünstler von
ungewöhnlicher Art. Es läßt sich voraussehen,
daß man ihn mehr und mehr schätzen wird.

Jan Siberechts ist 1627 zu Antwerpen ge-
boren als Sohn des gleichnamigen Bildhauers.
Er hatte also Künstlerblut geerbt. 1649 wurde
er Freimeister; 1652 verheiratete er sich. 1672
ist er in Antwerpen nachweisbar. Dann zog
er nach England, wo er 1703 starb.*)

Ein Bild, das eine Annäherung des Sibe-
recht an die Cocques-Gruppe rechtfertigt, ist
das Werk in der Kopenhagener königlichen
Galerie. Ich habe zunächst der Galerieleitung
bestens für die freundliche Anfertigung und
Sendung einer großen Photographie zu danken,
die dem anbei gebotenen Netzdruck zugrunde
liegt. Das Bild ist auf Leinwand gemalt, mißt
57X60 cm und entspricht im kühlen Kolorit
den meisten Bildern, die mir von diesem
Maler bekannt geworden sind. Rechts an der
Stufe die Signatur: „• J • Siberechts • fecit
darunter,,- A • anvers • 1671 .“.Wüßteman
es nicht aus Van den Branden, daß Siberechts
erst 1672 nach London verzogen ist, so wäre
die Datierung des Bildes in Kopenhagen eine
ausschlaggebende Urkunde für den Nachweis
des Aufenthaltes zu Antwerpen kurz vor 1672.
Aber auch sonst ist die Datierung dieses
Werkes aus dem Jahre 1671 von Belang. Auf
Antwerpen wird dadurch des besonderen hin-
gewiesen, und wir gehen wohl nicht fehl, wenn
wir in dem dargestellten Raume ein Zimmer
in der Wohnung des Künstlers selbst ver-
muten, der damals (nach Van den Branden)
in einem Hause der Vleminckstraat eingemietet
war. Die Darstellung ist so mannigfach ge-
staltet und so augenscheinlich naturgetreu,
daß sie gewiß Betrachter aus den verschieden-
sten Kreisen fesseln wird. Es spricht zum Ge-
müte und weiß dem kritischen Denker in
gleicher Weise Anregung zu bieten. Bilder-
leuten fällt es sofort auf, daß an der Hinter-
wand Gemälde angebracht sind. Sie zeigen,
was sogleich bemerkt sei, alle Merkmale der
Erfindung und Ausführung von Siberechts
selbst. Dasselbe klare helle Licht, dieselbe
stimmungsvolle Färbung.

*) Nach den Liggeren, Van den Branden, Rooses,
Wauters, Woltmann & Woermann und nach Walpoles
Anecdots of painting.
 
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