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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 3.1907

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Heft 4
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Binder, Moritz Julius: Das Ansbacher Kelterbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.27900#0087

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Blätter für Gemäldekuhde

ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG

GEROLD & Co., WIEN,

I. STEPHANSPLATZ 8.

VON

Dr. TH. V. FRIMMEL

- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.

III. Band.

OKTOBER 1906.

Heft 4.

DAS ANSBACHER KELTERBILD.

Von M. J. Binder.

Die mystische Literatur des Mittelalters gab Anlaß zu religiösen Darstellungen,
die weitab von den sonst dargestellten, gemeinverständlichen Legenden lagen und
eine genaue Kenntnis der biblischen und patristischen Schriften voraussetzten.
In diesen symbolistischen Kreis nun gehört vorliegende „Christuskelter“, ein
speziell im mittelalterlichen Deutschland keineswegs seltenes Motiv (z. B. Tafel
in S. Lorenz zu Nürnberg, im NationaLMuseum zu München, in Heilsbronn),
und es ist wohl kein Zufall, daß dieser mystischgelehrte Vorwurf gerade als
Votivbild für einen Kleriker gewählt wurde. Neben der stattlichen Tafel in der
Stiftskirche zu Ansbach (i 71/120 cm), es ist ein Bild, das durch die Restaurationen
in den Jahren 1863 und 1895 relativ wenig gelitten hat, hängt das Bronze^
epitaph eines Kanonikus und belehrt uns durch Übereinstimmung der Wappen,
daß der auf unserer Tafel kniende Donator „Mathias von Gulpen“ hieß, in
decretis bacalaureus decanus huius ecdesiae, im Jahre 1475 starb und an dieser
Stelle, d. h. in der Georgskapelle von St. Gumpert zu Ansbach, beigesetzt
wurde.

Um nun den auf unserem Bild geschilderten Vorgang auch weiteren Kreisen
zu vermitteln, ließ der Auftraggeber, wahrscheinlich selbst ein Theologe, den
einzelnen Figuren Spruchbänder beigeben, welche die bezüglichen Textstellen
enthalten.

Der heilige Geist sagt: „Torcular calcavit dominus virginis filie Juda“. (Dazu
ein Hinweis auf Threni I, 15, das ist auf die lamentationes Jeremiae prophetae.)
Gott Vater sagt: „Propter scelus populi mei percussi eum“. (Dabei der Hinweis
auf Prophetia Isaiae LIII, 8.) Christus sagt: „Torcular calcavi solus et de gentibus
non est vir mecum“. (Hinweis auf Prophetia Isaiae LXIII, 3.) Maria sagt: „Quare
o fili rubrum est indumentum tuum“? (Prophetia Isaiae LXIII, 2.) Die Engel
sagen: „Quare rubrum est indumentum tuum et vestimenta tua sicut calcantium
in torculari“? (Prophetia Isaiae LXIII, 2.) Petrus sagt: „Hic vite ostium posuit
unde sacramenta emanant“. (Genommen aus: Homilia S. Augustini episcopi,
tractatus CXX in Johannem.) Der Chorherr sagt: „Redemisti nos Deus in
sanguine tuo“ (dabei Hinweis auf Apocalypsis V, 9), und miserere mei.

Als man sich in den sechziger Jahren intensiver mit deutscher Malerei zu
beschäftigen anfing, wurde auch unser Bild im Zusammenhang mit der fränkisch^
schwäbischen Schule des öfteren behandelt, um so mehr als sich im britischen
 
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