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Blümel, Carl; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Griechische Bildhauerarbeit — Berlin, Leipzig, Band 11.1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.42528#0021
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Werkzeuge und ihre Anwendung im fünften Jahrhundert

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winde. Hat man mit diesem Werkzeug an Stellen, wo man gezwungen ist, sehr tief in
den Stein hineinzugehen, verschiedene Löcher vorgebohrt, so gewinnt man dadurch
den großen Vorteil, daß man das Spitzeisen sehr viel tiefer ansetzen und auf diese Weise
größere Stücke des Steins loslösen kann, als wenn man nur langsam mit dem Spitz-
eisen allein vordringt. Vor allem lange schmale Faltentiefen lassen sich mit dem
Bohrer leichter als mit jedem anderen Werkzeug bewältigen, indem man ein Bohrloch
neben das andere setzt. Die kleinen stehengebliebenen Stege werden zum Schluß
mit dem Spitzeisen beseitigt. Ein solcher Bohrer ist an den Olympiaskulpturen
zuweilen so tief eingedrungen, daß er seine Spuren noch auf der Epidermis der fer-
tigen Arbeiten zurückgelassen hat. G. Treu') hat auf die folgenden Stellen aufmerk-
sam gemacht: an der Statue des geraubten Knaben, Westgiebel F; zwischen den
Pferdehälsen des Nordgespanns, in der linken Hand der südlichen Eckfigur vom
Westgiebel V, an der rechten Daumenwurzel des Apollon.
Auch eine Raspel Taf. i h hat öfter Verwendung gefunden, nach den Angaben
von G. Treu * 2 *) an den Füßen des Peirithoos K, am rechten erhobenen Arm derselben
Statue, der abgewandten Kopfseite des Theseus M, den Lippen des Apollon L, dem
Kinn des würgenden Lapithen Q und am linken Joch- und Stirnbein des Ostgiebel-
greises N. Dieses Werkzeug ist einer Feile sehr ähnlich, es hinterläßt feine, un-
regelmäßige Kratzspuren, die den Auftrag von Farbe sehr erleichtern, so wurden
wohl die Lippen des Apollon zu diesem Zweck mit einer Raspel bearbeitet. Auch
an archaischen Skulpturen finden sich häufig die Raspelspuren an Stellen, die einen
Farbenauftrag erhalten sollten. Ihre Verwendung hat sich später verallgemeinert,
sie wurde das Werkzeug zum Glätten der Oberfläche und vertrat die Stelle von
Schmirgel und Bimsstein. Besonders deutlich wird diese Raspelarbeit auf der Rück-
seite an dem kleinen männlichen Torso des Berliner Museums Nr. 31 Taf. 35 b und
dem klassizistischen Torso des Nationalmuseums Nr. 22 Taf. 28, der gänzlich mit
der Raspel übergangen ist. An einigen Stücken3), die diesem Torso verwandt sind,
wurden die nackten Teile fertig geglättet, während man auf dem Gewand die Spuren
dieses Werkzeuges stehen ließ, auch hier, um einen geeigneten Grund für den Farben-
auftrag zu haben.
Die scharfen geradlinigen Faltenkanäle an archaischen und frühklassischen
Skulpturen sollen mit einer Säge 4) gearbeitet worden sein; man spricht häufig von
diesem Werkzeug, wie es aber ausgesehen hat, findet sich nirgends gesagt. Auch
diese Säge wird man sich als eine Art Raspel Taf. 1 g vorzustellen haben. Heute
würde man dazu eine messerartige Feile mit aufwärts gebogener Spitze verwenden,
die wie eine Schlittenkufe bei der Arbeit auf und ab gleitet und im Marmor diese
schnurgraden Einschnitte hinterläßt. Die Form ist so einfach, daß wir sie mit
Sicherheit auch in der Werkstatt des griechischen Bildhauers voraussetzen dürfen.
Um die Mitte des fünften Jahrhunderts scheint dieses Werkzeug vom laufenden
Bohrer abgelöst worden zu sein; sicher habe ich es noch feststellen können an der
J) Treu, Jdl. io, 1895, 3- 4) Schräder, Arch. Marmorskulpturen im Acropolis-
2) Treu, Jdl. 10, 1895, 3. museum S. 26. Wolters im Text zu BrBr. 661,
3) Vgl. S. 60 zu Nr. 22. 662 Anm. 11.
 
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