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Blümel, Carl; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Griechische Bildhauerarbeit — Berlin, Leipzig, Band 11.1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.42528#0028
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l6

Arbeitsweise im vierten Jahrhundert und Hellenismus

Haare zu durchfurchen, die Augenlider zu unterhöhlen, man verwendet ihn gelegent-
lich fast wie einen Zeichenstift, indem man tiefe Furchen als Umrißlinien ziehtr).
Aber daneben verbleibt die Hauptarbeit nach wie vor dem Spitz- und Zahneisen. Teile
der Rückseiten der Giebelskulpturen von Tegea2), der Nike von Samothrake 3), der
Rücken eines sitzenden Apollon aus Pergamon 4) Taf. 25 b, einiger Frauenstatuen
aus Pergamon 5), einer weiteren Figur aus Magnesia 6), einer hellenistischen Mädchen-
statuette in Berlfh 7) zeigen ausnahmslos sehr feine Spitz- oder Zahnmeißelarbeit,
die ohne Spuren eines Schlageisens sich nach vorn in der geglätteten Oberfläche ver-
liert. Die Zahl dieser Beispiele ließe sich sicher noch leicht vermehren. Diese über-
aus feine Marmorbehandlung hat sich mitunter bis tief in die römische Kaiserzeit
hinein erhalten, das beweist der Torso einer gepanzerten Statue aus Milet8), der sich
jetzt im Berliner Museum befindet. Er dürfte etwa der Hadrianischen Zeit ange-
hören. Seine Rückseite und Teile unter den Armansätzen weisen nur feinste Spitz-
und Zahnmeißelspuren auf, neben denen die fertig geglättete Oberfläche steht.
Aber selbst wenn uns diese teilweise unfertigen Arbeiten nicht erhalten wären,
müßte man nach dem Aussehen der Oberfläche vieler Arbeiten des vierten Jahr-
hunderts und des Hellenismus auf dieselbe Arbeitsweise schließen. Die Giebel-
skulpturen von Tegea, die Mausoleumsskulpturen, der größte Teil der rundplastischen
Arbeiten von Pergamon, die Aphrodite von Melos und das Mädchen von Antium,
um nur einige besonders markante Beispiele herauszugreifen, können in der Haupt-
sache nur mit feinster Spitz- und Zahnmeißelarbeit entstanden sein. Daß dabei in
der Haarbehandlung und gelegentlich auch in der Gewandung selbst an den besten
Stücken Schärfen schon um des Kontrastes willen mit dem Schlageisen eingesetzt
wurden, ist oben schon gesagt und in griechischer Plastik wohl nur selten gänzlich
vermieden worden.
Solche Arbeiten sind freilich Höchstleistungen ihrer Zeit, und neben den großen
Künstlern arbeiteten auch noch viele andere, die wohl eine handwerklich einwand-
freie Leistung zustande brachten, weil sie eine gute Ausbildung erhalten hatten und
wohl auch gelegentlich bei großen Arbeiten helfen mußten. Für solche einfacheren
Handwerker liegt aber, wenn es an einer strengen Beurteilung durch Meister oder
Auftraggeber fehlt, immer die Versuchung nahe, sich in der feineren Formbehandlung
gehen zu lassen. Im fünften und sechsten Jahrhundert treten diese Unterschiede in
der technischen Behandlung des Marmors kaum fühlbar zutage, das beste Beispiel
dafür ist die kleine unfertige Statuette des Pan aus Lusoi Taf. 20, er ist ebenso fein
mit dem Spitzmeißel gearbeitet wie die schönsten Stücke der großen Kunst. Erst
im vierten Jahrhundert tritt ein entschiedener Wandel ein. An der großen Menge

T) Zur technischen Verwendung des laufenden
Bohrers vgl.: Pergamon III 2 S. 118, 212 f.
2) Dugas, Sanctuaire d’Alea Athena Taf. 98A(i),
105 B (21), D(24), 106 B (25).
3) Collignon, Hist. Sculpt. grecque II 465 Taf. 10.
BrBr. 85. Zuletzt bei Studniczka, Artemis und
Iphigenie S. 82.

4) Pergamon VII 1 S. 128 Nr. 111 Taf. 26 Abb. 111 a.
5) Pergamon VII 1 S. 76 Nr. 47 Taf. 14, 15. S. 87
Nr. 53 Taf. 20.
6) Magnesia am Maeander 200 Abb. 200.
7) Kurze Beschreibung Berlin3 Nr. 503.
8) Hekler, ÖJh. 19/20, 1919, 238 Nr. 4 Abb. 166.
Kurze Beschreibung Berlin 3 Nr. 1590.
 
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