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Bulletin du Musée National de Varsovie — 37.1996

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Nr. 3-4
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Klessmann, Rüdiger: Jan Lievens und die Utrechter Caravaggisten
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https://doi.org/10.11588/diglit.18945#0192
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Was Lievens schon im Alter von 16 oder 17 Jahren zu leisten vermochte,
beweist eine Gemäldefolge der Vier Elemente (Kassel, Gemäldegalerie)1. Die
allegorischen Gestalten überraschen durch die Frische der Auffassung und die
kraftvolle Malweise. Die Schulung bei Pieter Lastman ist nicht zu übersehen,
doch im Unterschied zu diesem bevorzugt Lievens die große Figur. Betrachtet
man die Allegorie des Feuers (Abb.l), so wird deutlich, daß Lievens die Utrechtcr
Malerei mit ihrem vom Caravaggio inspirierten Realismus genau studiert hat,
besonders die Werke von Honthorst und Ter Brugghen. Diese waren erst
wenige Jahre zuvor aus Italien zurückgekehrt, Ter Brugghen 1614, Honthorst
1620. Ihr provozierender Stil, der in Leiden unbekannt war, muß den jungen
Lievens sofort angezogen haben, doch gibt es keine Nachrichten, daß Lievens
damals Utrecht besucht hat. Natürlich können Bilder des neuen römischen Stils
auch durch Sammler nach Leiden gekommen sein, wie etwa die ganz
caravaggesk gemalte Judith von Rubens (Braunschweig, Herzog Anton
Ulrich-Museum), die sich wahrscheinlich 1621 im Besitz des Rektors der
Leidener Lateinschule Theodor Schrevelius befand2.

Der eine Fackel anzündende Junge hat seinen nächsten Verwandten in dem
von Lievens voll signierten Gemälde des Warschauer Museums3, das einen
Feuer anblasenden Knaben - wahrscheinlich nach demselben Modell -
wiedergibt (Abb.2). Noch einmal verwendete Lievens dieses Modell für einen
mit Seifenblasen spielenden Jungen in Halbfigur auf einer achteckigen Tafel4
(Düsseldorf, Privatbesitz, Abb.3). Der Bildaufbau der Elementenfolge und der
bravouröse Umgang mit der Farbe können nicht über die Mängel der
Maltechnik hinwegtäuschen, die der junge Lievens damals offenbar noch nicht
beherrschte. Diese Probleme dürften auch mit der künstlerischen Bewältigung
von großen Figuren Zusammenhängen, in der er von seiner Ausbildung her
wenig Erfahrung haben konnte. Sein Lehrer Pieter Lastman scheint nur
ausnahmsweise Halbfigurenbilder gemalt zu haben5. Diese Bildgattung wurde
vornehmlich von den Utrechter Malern gepflegt, die in Italien den Realismus
Caravaggios studiert hatten.

Lievens hat seine Allegorie des Feuers (Abb.l) in enger Anlehnung an ein
Gemälde Ter Brugghens geschaffen, das ein eine Kerze anzündendes Mädchen
mit Turban in ähnlicher Komposition und Haltung wiedergibt6. Blickpunkt und

1 Ausst.Kat. Jan Lievens. Ein Maler im Schatten Rembrandts, Braunschweig 1979, Nr.2-5;
WSumowski, Gemälde der Rembrandt-Schüler, Landau 1983, III, Nr.1216 - 1219; B.Schnackenburg,
Gesamtkatalog Gemäldegalerie Alte Meister Kassel, Mainz 1996, S.171.

2 G.J.Hoogewerff/ J.Q.van Regteren Altena, Arnoldus Buchelius ‘Res Pictoriae’, Aanteekeningen
over Kunstenaars en Kunstwerken, Den Haag 1928, S.49; Ausst.Kat. Art in the Making. Rembrandt
(by D.Bomford, Chr.Brown, A.Roy), London 1988, S. 62.

3 Ausst.Kat. Lievens (vgl.Anm.l), Nt.6 (R.Klessmann). J.Bruyn et al., A Corpus of Rembrandt Paintings
I, Den Haag 1982, S.453 f.- Sumowski (vgl.Anm.l), Nr. 1226; Ausst.Kat. Caravaggio Ztozenie do grobu.
Rózne oblicza caravaggionizmu, Redaktion J.Kilian, A.Ziemba, Warschau 1996, Nr.22.

4 Sumowski (vgl.Anm.l), Nr. 1215.

5 vgl.A.Tiimpel, Ausst.Kat. Pieter Lastman, Amsterdam 1991, S. 116.

6 Privatbesitz, Abb.in Ausst.Kat. Holländische Malerei in neuem Licht. Hendrick Ter Brugghen und
seine Zeitgenossen, Utrecht - Braunschweig 1986, S.61, Abb.57.

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