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Bock von Wülfingen, Ordenberg; Raffael [Ill.]
Raffael Santi - die Verklärung Christi "die Transfiguration": Einführung — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 9: Stuttgart: Reclam-Verlag, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.56856#0047
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GOETHE ÜBER DIE TRANSFIGURATION
Aus: Italienische Reise, Zweiter Römischer Aufenthalt,
Dezember 17S7. Bericht.
Doch hierüber (über die Acqua Paola auf dem Jani-
culus) vereinigte man sich ebensowenig als über das
herrliche Bild der Transfiguration, welches man in dem
zunächst gelegenen Kloster gleich darauf anzustaunen
Gelegenheit fand. Da war denn des Redens viel; der
stillere Teil jedoch ärgerte sich, den alten Tadel von dop-
pelter Handlung wiederholt zu sehen. Es ist aber nicht
anders in der Welt, als daß eine wertlose Münze neben
einer gehaltigen auch immer eine gewisse Art von Kurs
behält, besonders da, wo man in der Kürze aus einem
Handel zu scheiden und ohne viel Überlegung und Zau-
dern gewisse Differenzen auszugleidien gedenkt. Wun-
dersam bleibt es indes immer, daß man an der großen
Einheit einer solchen Konzeption jemals hat mäkeln
dürfen. In Abwesenheit des Herrn stellen trostlose Eltern
einen besessenen Knaben den Jüngern des Heiligen dar;
sie mögen schon Versuche gemacht haben, den Geist zu
bannen; man hat sogar ein Buch auf geschlagen, um zu
forschen, ob nicht etwa eine überlieferte Formel gegen
dieses Übel wirksam könnte gefunden werden, aber ver-
gebens. In diesem Augenblick erscheint der einzig Kräf-
tige, und zwar verklärt, anerkannt von seinem großen
Vorfahren; eilig deutet man hinauf nach solcher Vision
als der einzigen Quelle des Heils. Wie will man nun das
Obere und Untere trennen? Beides ist eins: unten das
Leidende, Bedürftige, oben das Wirksame, Hilfreiche.
Beides aufeinander sich beziehend, ineinander wirkend.
Läßt sich denn, um den Sinn auf eine andere Weise aus-
zusprechen, ein ideeller Bezug aufs Wirkliche von diesem
lostrennen?
Die Gleichgesinnten bestärkten sich auch diesmal in
ihrer Überzeugung. „Raffael“, sagten sie zueinander,
„zeichnete sich eben durch die Richtigkeit des Denkens
aus, und der gottbegabte Mann, den man eben hieran
durchaus erkennt, soll in der Blüte seines Lebens falsch
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