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Bode, Wilhelm
Die italienische Plastik — Handbücher der Königlichen Museen zu Berlin, [Band 1]: Berlin, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.16233#0158
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Die Hochrenaissance.

durch die Päpste selbst zur Gegenreformation gestaltet wurde.
Das Wirkliche, das rein Menschliche verdammte sie, wie im
Leben so in der Kunst, die sie nur als Mittel zur Förderung
religiöser und kirchlicher Zwecke, wenn auch im weitesten
Sinne, gelten lassen wollte; daher die bewufste Abkehr von
der Natur.

Im Gebiete der Malerei und teilweise auch der Architektur
sehen wir ein verwandtes Streben die köstlichsten Früchte
zeitigen, wenn auch nur während eines kurzen Zeitraums und
bei einer kleinen Zahl besonders begnadigter Künstler: in der
gleichzeitigen Plastik ist dies, den Einen Michelangelo aus-
genommen, keineswegs der Fall; die Bildwerke der Hoch-
renaissance befriedigen nur ganz ausnahmsweise in dem Mafse
wie die der vorausgegangenen Epoche oder halten doch bei
näherer und wiederholter Betrachtung keineswegs, was sie auf
den ersten Blick versprechen. Die Plastik war aber auch von
vornherein in einer weit weniger günstigen Lage als ihre
Schwesterkünste. Abgesehen davon, dafs die Aufgaben der
Kirche an sich für die plastische Darstellung weit weniger
geeignet waren wie die griechische Mythologie, konnten auch
die allegorischen Gestalten und die der Antike entlehnten Motive,
da sie nicht aus dem Volksbewufstsein hervorgegangen waren,
sich nicht typisch ausbilden und erscheinen daher als etwas Künst-
liches und Fremdartiges. Auch mufste in der Plastik die Ab-
sichtlichkeit, die bewufste Abwendung von dem Individuellen
und das Zurschautragen stilistischer Gesetze, welche zum Teil
ohne wirkliche Grundlage waren, von besonders ungünstiger
Wirkung sein, sobald nicht ein Genie, wie das Michelangelo's,
die Aufgabe erfafste. Daher leiden die meisten, selbst die
besseren Bildwerke der Hochrenaissance an nüchterner Ein-
förmigkeit, gesuchter Ziererei und leerer Empfindungslosigkeit,
welche sich doppelt fühlbar machen durch den meist kolossalen
Mafsstab. Dies ganz besonders bei der Darstellung des Nackten,
das ja am wenigsten eine Behandlung nach der Schablone
gestattet.

Bei dieser Richtung ist es begreiflich, dafs in der Plastik
der Hochrenaissance das Portrait in den Hintergrund tritt und,
wo es ausnahmsweise gefordert wird, der Mangel an naiver
Naturanschauung der vollen Wiedergabe der Persönlichkeit meist
hinderlich ist. Ebenso schlimm, obgleich aus anderen Gründen,
ergeht es meist dem Relief, auf das die Künstler zwar keineswegs
Verzicht leisten, das aber im Anschlufs an römische Vorbilder
regelmäfsig als Hochrelief derart behandelt wird, dafs es mehr
einer Gruppe von Freifiguren gleicht, worin die Leere und Un-
wahrheit der Formen und die Einförmigkeit in der Bildung der-
selben durch die Zahl der Figuren besonders ungünstig zur
Geltung kommt.
 
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