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Boehlau, Johannes
Aus ionischen und italischen Nekropolen: Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst — Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.669#0057
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Zweiter Abschnitt.
Die nachmykenische Vasenmalerei in Kleinasien.

1. Samisclie Vasen.

Das erste, was bei einem Überblicke über die Ausbeute an Gefäfsen und Gefäfs-
resten aus der samischen Nekropole auffallt, ist der hohe Prozentsatz an Fikelluravasen.j
Gefäfse dieser Gattung kommen als Beigaben in den Gräbern vor, Scherben finden sich
auf der Oberfläche, im Grabesschutte und auf den Opferstätten. Schon das häufige Auf-
treten gegenüber der Seltenheit altrhodischer Waare, Ton der nur ein Stück aufgelesen
werden konnte (T. XII. 8), legt den Gedanken nahe, dafs wir es in den Fikelluravasen viel-
leicht mit originalen Erzeugnissen der samischen Kunst zu thun haben. Das Argument
gewinnt an Bedeutung, da es sich um eine Fundschicht aus der zweiten Hälfte des
"~fö. Jahrhunderts handelt. Damals war die Stufe der nachraykenischen*) Stile überwunden,
korinthische, attische, kyrenäische Vasen wurden eingeführt, in Jonien selbst lieferten ein-
zelne Fabriken Waare, die der schwarzfigurigen des griechischen Mutterlandes durchaus
ebenbürtig war. Wenn ein nachmykenischer Stil unter diesen Umständen noch so viel
Lebenskraft hat, um jenen allen die Wage zu halten, so ist das kaum anders erklärlich,
als durch die Annahme, dafs er hier in Samos auf seinem mütterlichen Boden steht.
Dazu kommt, dafs sich unter den Fikelluravasen Stücke von einer sehr mittelmäfsigen
keramischen Technik finden, die kaum Gegenstand des Exports gewesen sein können. Ich
meine die S. 34 und 35 beschriebenen Stücke, die der weiche, schlecht gebrannte Thon
und der wenig haltbare Firnifs als Waare kennzeichnet, die nicht für den täglichen Ge-
brauch, sondern für die Mitgabe an die Toten gearbeitet war, was die rote Farbe an der
Innenseite einer Scherbe vollends zur Gewifsheit macht (S. 61 n. 64). Die Anerkennung dieser
Schlüsse läfst sich nicht erzwingen, da wir die Fundgebiete im Osten nicht übersehen.

*) Ich gebrauche den Namen nachmykenische Vasen statt des üblichen der orientalisierenden.
Die chronologische Bezeichnung schien mir unter anderen vor der älteren den Vorzug zu haben, dafs
sie auch für die den östlichen Stilen parallelen geometrischen des Mutterlandes anwendbar ist. Die
nachmykenischen Stile werden durch den schwarzfigurigen abgelöst, der die Figuren in voller Silhouette
zeichnet und für Konturen und Details die Gravierung verwendet, die nachmykenische Periode dauert also
bis etwa gegen Anfang des 7. Jahrhunderts.
 
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