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Boehn, Max von; Reni, Guido [Ill.]
Guido Reni — Künstler-Monographien, Band 100: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.65885#0135
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Farbenauftrag gewöhnte. Daß viele seiner Bilder so flau wirken oder in das
Bunte fallen, daß in anderen das Fleisch rot, die Schatten von undurchsichtiger
Schwärze sind, erklärt sich wohl aus der Hast, in welcher der Maler, von Gläubigern
gedrängt, so viele seiner Schöpfungen eilfertig hingestrichen hat. Zieht man das
Gesamtwerk Guidos in Betracht, so muß man, beobachtet man die Änderung, die
sich in seinem Kolorit vollzieht, Posse recht geben, der sagt: „Er macht am durch-
greifendsten die Wandlung durch, die sich in der gesamten Malerei Italiens voll-
zieht, von kontrastreicher Hell- und Dunkelmodellierung bei scharf einfallender
Beleuchtung mit tief leuchtenden Farben zu einer Modellierung, Farbe in Farbe
bei lichtem Allgemeinton mit grünlichen Reflexen und kalten Hellen Tönen." Als
Ausgangspunkt dieser Bewegung wird man die Kreuzigung Petri betrachten dürfen,
als Gegenpol vielleicht die Himmelfahrt Mariä in der Alten Pinakothek, welche
Schelling so überschwenglich gepriesen hat.
In rastloser und unausgesetzter Tätigkeit war Guido Reni 67 Jahre alt
geworden. Wenn auch die Briefe seiner letzten Jahre, z. B. jener an Ferrante
Trotto aus dem Jahre 1639, von Mißmut und Müdigkeit sprechen, so fühlte sich
der Künstler doch so wenig erschöpft, daß er am 30. Juli 1642 noch den Groß-
herzog von Toskana um die Fortdauer seines Wohlwollens, d. h. um Erteilung
von Aufträgen bittet. Anfang August des gleichen Jahres aber erkrankte er und
bezog auf Zureden seiner Freunde, die ihn wohl den unerfreulichen Zuständen
einer vernachlässigten Häuslichkeit entziehen wollten, das Haus des einen unter
ihnen. Er wählte der größeren Ruhe wegen dasjenige des Giambattista Ferri
in der Via del Cane. Hier lag er fast drei Wochen und empfing die Besuche
seiner Freunde, die ihn durch nichts mehr erfreuen konnten, als wenn sie im
Nebenzimmer musizierten. Die Musik war die letzte Trösterin des sterbenden
Meisters. Die Teilnahme seiner Mitbürger an seiner Erkrankung war allgemein.
Sie machte sich nicht nur in Bologna, sondern auch in Rom geltend. An beiden
Orten wurden in den Kirchen unter Ausstellung des Allerheiligsten öffentliche
Gebete um seine Heilung veranstaltet, aber vergebens. Als der Kranke fühlte,
daß sein Ende herannahe, ließ er den Notar Marco Melega rufen, um seinen
letzten Willen aufzusetzen. Dieses Testament, dessen Wortlaut Gualandi ver-
öffentlicht hat, scheint allerdings der Behauptung des braven Joachim von Sandrart,
der freilich ein besserer Wirt war, recht zu geben, wenn er sagt, Guido habe bei
seinem Tode eine Schuldenlast von 25000 Kronen hinterlassen. Der Maler, dem
Hunderttausende durch die Hände gegangen sein müssen, hat kein anderes Legat
auszusetzen, als eine vierpfündige Wachskerze für die Compagnia del Santissimo
Sacramento der Kapelle San Andrea delle Scuole, im übrigen überläßt er alles
dem Saulo Guidotti, den er zum Testamentsvollstrecker ernennt. Seinen Nachlaß
an Skizzen und angefangenen Bildern erhielt ein entfernter Verwandter, ein guter
Mensch und schlechter Maler namens Guido Signorini. Der Diener Marchino,
der seine unbescheidenen Ansprüche mit der nötigen Frechheit vorzubringen wußte,
wurde mit dem gesamten Vorrat an Kupferplatten abgefunden. — Nach einen:
Todeskampf, der 48 Stunden währte, ist Guido Reni am Montag, den 16. August
1642, abends gegen 10 Uhr gestorben. In die Kutte eines Kapuziners gekleidet,
wurde er in die Gruft der Guidotti in der Rosenkranzkapelle der Kirche San
Domenico beigesetzt. Ein Epitaph, welches ihm und einer Nachfolgerin seines
Stils, der Elisabeta Sirani, an diesem Platz aufgerichtet wurde, kündet seinen
Ruhm, lauter aber verkünden ihn seine Werke, hat er sich selbst doch mit seiner
Aurora würdig und ebenbürtig in die Reihe der Größten gestellt.

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