266 Oestliohes Giebelfeld.
für einen blossen Rossewärter zu vornehm erscheinen, auch die Greisen-
haftigkeit fand in dem Berufe keine Motivirung. So wurden denn diese
Gestalt und die unseres Myrtilos als Gegenstücke aufgefasst und als
„Seher" erklärt. Offenbar liegt einer solchen Erklärung die irrthümliche
Auffassung zu Grunde, es handle sich um den Schwur vor Zeus, bei
welchem man sich wohl jene Priester gegenwärtig denken mag. Aber
wie wir gesehen haben, ist eine Opferhandlung gar nicht im Spiele, Zeus
ist gegenwärtig aber unsichtbar gedacht, nicht als Empfänger eines Eid-
schwures sondern als allmächtiger Lenker der Geschicke.
Mir scheint die Einführung der Greisengestalt bei dem Künstler
genau aus demselben Beweggrund hervorgegangen zu sein, welcher ihn
veranlasste, den zweiten Rossewärter auf der linken Giebelhälfte als un-
ausgewachsenen Jüngling, den Sphairos fast knabenhaft darzustellen. Die
Composition gewann durch die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Alters-
stufen; die Darstellung derselben gab dem Künstler Gelegenheit zu zeigen,
wie er der Behandlung des Nackten durch die ganze Altersscala hindurch
gerecht zu werden verstand. Bei den benannten Personen war er an
die Ueberlieferung gebunden; um so freier konnte und wollte er schalten,
wo ihm die Charakteristik freistand, bei den seiner Phantasie entsprungenen
namenlosen Nebenpersonen.
So scheinen mir denn auch alle die Züge, die von Anderen auf
trübe Gedanken, Vorahnung des für Oinomaos verhängniss vollen Aus-
ganges gedeutet worden sind, nichts Anderes als das hohe Alter des
Mannes anzeigen zu sollen. Die Furchen in der Stirn, das gestützte
Haupt, der in sich gekehrte Blick, sie sollen nicht Anderes bedeuten,
als die kahle Stirn und die Fettbildung des Leibes. So werden wir
auch für diese Persönlichkeit wohl an der Ueberlieferung des Pausanias
festhalten dürfen, dass wir einen mit der Rossewartung betrauten Alten
vor uns haben.
Für die nun nach rechts hin folgende Figur passt die Beschreibung
des Pausanias nicht. Was er oder der Gewährsmann, dem er nach-
schreibt, für einen Stallknecht gehalten hat, ist — ein Mädchen. Viel-
leicht führte die enganliegende Kleidung den kurzsichtigen Berichterstatter
in den Irrthum. Die Gestalt war, wie die Bearbeitung nachweist, nach
links, also gleich den anderen Eckfiguren der Mitte zugewendet. Auch
in ihr werden wir das Streben des Künstlers nach Mannigfaltigkeit er-
kennen dürfen, dem es wünschenswerth erschien, noch eine weibliche
Figur in seine Composition zu bringen. Unschwer wird sie sich als
eine Dienerin aus dem Gefolge der Königin Sterope deuten lassen.
für einen blossen Rossewärter zu vornehm erscheinen, auch die Greisen-
haftigkeit fand in dem Berufe keine Motivirung. So wurden denn diese
Gestalt und die unseres Myrtilos als Gegenstücke aufgefasst und als
„Seher" erklärt. Offenbar liegt einer solchen Erklärung die irrthümliche
Auffassung zu Grunde, es handle sich um den Schwur vor Zeus, bei
welchem man sich wohl jene Priester gegenwärtig denken mag. Aber
wie wir gesehen haben, ist eine Opferhandlung gar nicht im Spiele, Zeus
ist gegenwärtig aber unsichtbar gedacht, nicht als Empfänger eines Eid-
schwures sondern als allmächtiger Lenker der Geschicke.
Mir scheint die Einführung der Greisengestalt bei dem Künstler
genau aus demselben Beweggrund hervorgegangen zu sein, welcher ihn
veranlasste, den zweiten Rossewärter auf der linken Giebelhälfte als un-
ausgewachsenen Jüngling, den Sphairos fast knabenhaft darzustellen. Die
Composition gewann durch die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Alters-
stufen; die Darstellung derselben gab dem Künstler Gelegenheit zu zeigen,
wie er der Behandlung des Nackten durch die ganze Altersscala hindurch
gerecht zu werden verstand. Bei den benannten Personen war er an
die Ueberlieferung gebunden; um so freier konnte und wollte er schalten,
wo ihm die Charakteristik freistand, bei den seiner Phantasie entsprungenen
namenlosen Nebenpersonen.
So scheinen mir denn auch alle die Züge, die von Anderen auf
trübe Gedanken, Vorahnung des für Oinomaos verhängniss vollen Aus-
ganges gedeutet worden sind, nichts Anderes als das hohe Alter des
Mannes anzeigen zu sollen. Die Furchen in der Stirn, das gestützte
Haupt, der in sich gekehrte Blick, sie sollen nicht Anderes bedeuten,
als die kahle Stirn und die Fettbildung des Leibes. So werden wir
auch für diese Persönlichkeit wohl an der Ueberlieferung des Pausanias
festhalten dürfen, dass wir einen mit der Rossewartung betrauten Alten
vor uns haben.
Für die nun nach rechts hin folgende Figur passt die Beschreibung
des Pausanias nicht. Was er oder der Gewährsmann, dem er nach-
schreibt, für einen Stallknecht gehalten hat, ist — ein Mädchen. Viel-
leicht führte die enganliegende Kleidung den kurzsichtigen Berichterstatter
in den Irrthum. Die Gestalt war, wie die Bearbeitung nachweist, nach
links, also gleich den anderen Eckfiguren der Mitte zugewendet. Auch
in ihr werden wir das Streben des Künstlers nach Mannigfaltigkeit er-
kennen dürfen, dem es wünschenswerth erschien, noch eine weibliche
Figur in seine Composition zu bringen. Unschwer wird sie sich als
eine Dienerin aus dem Gefolge der Königin Sterope deuten lassen.