Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 1): Offenes Sendschreiben — 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4331#0002
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mittheilungen über willkürliche Mache zugegangen (s.
archeologique, Chronique d'Orient 1885).

5) Der Inhalt des allerdings in Brandschichten, aber nicht
wie die HH. Schliemanu und Virchow meinen, iu Städten,
sondern in Terrassen eines einheitlichen Bauwerkes empor-
gewachsenen, aus dessen Ausnutzung und Verfall entstandenen
Hügels besteht so augenscheinlich aus den Resten des Leichen-
brandes, des Todtcn- und Ahnenkultus, dass man schwer be-
greift, wie selbst Prof. Virchow dies verkennen konnte. Der-
selbe sagt (Zeitschr. f. Ethnol. 1884), das heisse ja, er habe
den "Wald vor Bäumen nicht gesehen. So ist es! Und Prof"
Virchow hätte besser gethau a. a. 0. das Vorhandensein von
Resten des Leichonbrandes nicht in Abrede zu stellen, be-
richtet doch Schliemanu selbst, schon i. J. 1873, also in dem
Bischen, was er damals erst ausgegraben hatte, — au tausend
Aschenurueu gefunden zu haben, (vgl. llios).

6) Eine höchst merkwürdige TJebereinstimmung besteht
zwischen dem Hügel Hissarlik und dem Hanai Tepeh . dem
Kara-Agatsch Tepeh (jener diesseits, dieser jenseits der
Dardanellen), sowie gewissen Ruiuenhügeln am Euphrat und
Tigris, wo jüngst (1887) von R. Koldowey aufgedeckte Terrasson-
Feuernekropolen im Wesentlichen das vuii mir iu Hissarlik
gezeichnote Bild wiederspiegoln. ich habe darüber der ge-
ehrten Versammlung schon auf der Zusammenkunft iuBonn 1888
berichtet. Der Bericht findet sieh erst in Nr. C (Juni 1889) unseres
Correspondenzblattes. Dass Bauten dieser Art sich bei Nach-
forschungen in den assyr.-babylon. Sohutthügeln zeigen würden,
habe icli verschiedentlich in meinen Schlitten vorhergesagt,
und dass solche Bauten noch den Römern bekannt waren,
ergiebt der Umstand, dass diese dem Aufbau des Scheiter-
haufens bei feierlicher Todtcnverbrenuung (z. B. der Antoni-
nisehen Kaiser), aus relig. Gründen jene Gestalt gaben. Die
relig. Gründe wurzelton in dem Sonnen- und Planetendienst,
dem die assyr.-babyl. Terrassenbauton (Zikkurat) gewidmet
waren, jedem Planeten eine Terrasse, der Sonne die oberste.
Dies wurde auf den Todtendienst und seine Tempel übertragen.

Die Sache steht schon längst so, dass die allgemein gehaltenen
ablehnenden Redensarten nicht mehr am Platze sind. Die
Gegner haben nunmehr die wissenschaftliche Pflicht. ihrer-
seits die in meinem Buche erbrachten Beweise zu widerlegen,
oder, wenn ihnen dies nicht gelingt, meine Auffassung als die
richtige anzuerkennen. Das fordere ich, Widerlegung oder
Anerkennung, und mit mir werden es Andere vorlaugen.
Hie Rhodus, hie salta!

Zum Schluss das Bild in wenigen Strichen, wie es die Natur
der Dinge ergiebt. Gab es ein Troja, und das ist wohl an-
zunehmen, so lag es iu der Ebene am Meere zu beiden
Seiten des Skamander (heute Meudere). Seine Burg stand
am walirseheinlichsten auf der Höhe am Meer, auf dem öst-
lichen Flussufer, und seine Nokropolen lagen, wie Gleiches
auch alle Erfahrungen anderwärts darthun, ringsum auf den
die Stadt umgebenden Höhen. Es mag also die auf einer
dieser Höllen gelegeno Terrassen-Pouoruekropole Hissarlik
eine der Nekropolen von Troja gewesen sein, wofür sogar
der Umstand spricht, dass dieselbe in späterer Zeit orwiesener-
maassen einen Tempel der Stadt Ilion (llium novum) trug, die
stets sich rühmte, auf der Stätte von Troja zu stehen, und
deren Nekropole sich, nicht die Stadt selbst, auf dem Plateau
neben der alten Feuor-Nekropole ausdehnte! (vrgl. mein Buch
La Tioio SS. 3(5— 4-2. Dieser Tompol auf dorn vorgeschichtl.
'ferrassenbau erinnert an dio Tempel auf den assyr.-babylon.
Terrassenbauton, genannt Zikkurat. Die Stadt Ilion muss,
wie die Lage ihres von Schliemanu ausgegrabenen Theaters

am Berghange aaithut, unten in der JUbene gelegen haben,
nämlich dort, wohin das Theater schaut. Das war griechische
Sitte. Ihre Vorgängerin, das alte Ilion, Troja, eine Zeit-
genossin der Riesenstädte am Euphrat und Tigris und in
Äegypteu, mag vom Eusse dieser Höhe bis an das Meer ge-
reicht haben. Es ist eine assyr.-babylonische Kultur, vielleicht
die eines assyr. Vasallenstaates, die uns aus der Fouernekropole
Hissarlik und ihren Funden entgegentritt. Der troj. Krieg
wäre also in gewissem Sinne ein Vorläufer der Perserkriege
gewesen, das Ringen des freien Hellenenthums gegen asiatische
Despotie. Troja's Bedeutung hätte mithin seiner geographischen
Lage entsprochen, es war das Konstantinopel der vorgoschichtl.
Zeit, und ähnlich mag auch die griechische Auffassung ge-
wesen sein, wenn der Redner es im Schwünge dor Be-
geisterung |J.s-ftarr] T(üv xöxe rcöXeutv v.ai izia-qz J7täp£<y.aa t-äi;
'Aaia? nannte, die grösste der damaligen Städte und Be-
herrscherin von ganz (Klein?) Asien.

Ich weiss wohl, dass dieses Bild nicht den Beifall der
Philologen finden wird, dio Bibliotheken schroibeu, um dio
Lage Troja's aus allerlei Ortsangaben in dem homerischen
Epos zu ermitteln. Es ist noch nichts dabei herausgekommen,
und seltsam, Männer, die Homers Ortsangaben für maassgobond
halten, achten soine Schilderung der Grösse und Pracht
Troja's so gcriug, dass sie oinen Schutthaufen von dor Grosso
dor römischen Kaiser-Mausoleon für Troja annehmen. Um
wie viel grossartigor und einleuchtender muss Ihnen, geehrte
Versammlung, das von mir entworfene Bild von Troja er-
scheinen, das die Feuernekropole Hissarlik zum Ausgangs-
punkt hat. Was nützen dio Funde von Hissarlik ohne ge-
schichtlichen Anschluss. Meine Arbeit setzt dieselben auf
historischen Boden, und das vermindert doch wahrlich nicht.
ihren Werth. Ich würde Ihnen, hochgeehrte Versammlung,
wie meine Absicht war, noch ein zweites Werk vorlogen
können „Die Funde von Hissarlik eine Hinterlassenschaft
des Todtcn- und Ahnenkults", worin an der Hand von
zahlreichen (im Laufe dor Jahre von mir in den Museen ge-
zeichneten) Abbildungen dio genaueste Verwandtschaft dieser
Funde mit assyr.-babyl. und ägypt. Kultgoiäth dargothan wird,
indessen ist dio im Buche La Troie S. 101 (und schon
vorher im Museou, Juniheft) angekündigte Veröffentlichung
dieser druckfertigen Arbeit im „Internationalen Archiv für
Ethnographie" (Leiden) im letzten Augenblick - ich lasse
dahin gestellt, aus wolchon Ursachen*) — zunichte geworden,
trotzdem sie in der Sitzung der Redaktionskommission vom
4. Februar bereits beschlossen worden war, und der Rodacteur
Hr. Schmeltz, dor bekannte hervorragende Ethnologe, eifrig
dafür eintrat, da derselbe, wie er mir schrieb, „meinen Aus-
führungen aus ganzer Seele zustimmt". Violleicht wird os
mir gelingen, dies Werk der hochgeehrten Vorsammlung im
nächsten Jahre vorzulegen.

München, 1889.

Ernst Boetticher

Hauptmann a. D.

*) Diese Arbeit von 150 Seiten mit IS Fig-Tafuln und vielen Text-
bildern war d. Arcbiv im Sommer v. ,T. unentgeltlich angeboten worden.
Am 4. Febr. c. genehmigte die Commission die Veröffentlichung
widerspruchslos (Mitth. v. Schmeltz). Im Juni c. nach 4monatl.
Schweigen — Absage weil: „ich mein Eigentumsrecht vorbehalten
und ununterbrochene Veröffentlichung verlangt hätte". Eine Rück-
frage, ob ich darauf bestünde, war vermieden worden. (Gewisse gegen
die HH. Virchow und Schliemanu gerichtete Stellen, zu deren Aus-
merzung ich mich verstanden hatte, fand ich alle angestrichen).
 
Annotationen