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Bohn, Richard
Die Propylaeen der Akropolis zu Athen — Berlin u.a., 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.675#0012
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C. Scribonius Curio wegen Wassermangel ergeben, da Trockenheit die
Cisternen geleert hatte. Die anderen uns überlieferten Besetzungen von
Athen, wie 267, durch die Heruler und 396 durch Alarich, melden von
einem besonderen Kampf um die Burg nichts.

Ein zweites Moment ist die Errichtung einer gewaltigen Basis,
welche sich in wenig harmonischer Weise westlich vor der Südwestecke
des Nordflügels aufpflanzte und noch heut in seiner Gesammtheit erhalten
ist. Sie trug laut der an seiner Westfront befindlichen Inschrift1 — eine
zweite ähnlich lautende ist auf einer anderen unten liegenden Platte —
die Statue des M. Vipsanius Agrippa, welche das athenische Volk seinem
Woltäter (töv icaoü süsp?^) in dem Jahre seines dritten Consulats d. h. 27
v. Chr. oder unmittelbar hernach errichtete.

Hieran sind noch einige Inschriften zu knüpfen, die zwar auf die
Burg bezüglich, immerhin nur vermutungsweise mit den Bjjjten des West-
abhanges in Verbindung gesetzt werden können. Die älteste davon be-
findet sich mit verschiedenen anderen auf einem runden Schafte, welcher
jetzt nahe dem Wächterhause steht; dem Namen der Pyloren ist dort
die Bemerkung hinzugefügt „ä? wv ■ml t6 Spvov tjj; ävaßteoK e^»sto"- Diese
Aufschrift kann man nicht früher, wol aber unmittelbar in die Zeit nach
dem Archontat des an gleicher Stelle genannten Rhoimetalkes setzen und
dieses fällt nach den Untersuchungen von Neubauer'2 in das Jahr 37
bis 38 n. Chr.

Ferner befindet sich an einem der Architravstücke, welche den
Türsturz des jetzigen Burgeingangs, ein Machwerk der Türken, bilden,
eine Inschrift; <I>X. ££3tTi|j.Lo<; MapxeXXlvos 4>Xau.[TJv] xal a;ro a*ftoVo&£™v ex töjv toicov

T06; üuXöiva; rjj iraXei:), welche also besagt, dass ein gewisser Septimius Mar-
cellinus Pylonen t?j toXei errichtet habe; gleichgültig nun, ob ireXet direkt
auf die Burg oder, wie Wachsmuth annimmt, als Dedikationsdativ auf
die Gemeinde bezogen wird, zeigt jedenfalls die jetzige Fundstelle deut-
lich den Zusammenhang der Inschrift mit der Burg und zwar dem Süd-
westabhang. Der paläographische Charakter weist dieselbe in die Zeit
zwischen Septimius Severus und Valerianus.

Noch eine dritte will ich hier erwähnen, weil sie auch anderwärts im
Zusammenhange mit den obigen genannt wird, obwol mit ihr, wie ich
glaube, für die vorliegende Frage nichts gewonnen werden kann; sie be-
fand sich auf einem Stein am Westabhang und lautet: heyäiov ävnSiäövis?,

'A&Tjvaioi T^j H0X1Ä81 av&hjxav xöa[j.ov t$ tppoopiip, 8 gwt[ö?] olxsiois avaXwjiaotv xareoxsüaasv4,

d. h. also, die Burg wurde verschönert (durch ein Kastell?), und zwar,
nach dem Buchstabencharakter zu urteilen, ungefähr im Anfang, des
dritten Jahrhunderts n. Chr.

Was können wir nun aus diesen spärlichen Notizen folgern? Die
Befestigungen müssen zur Zeit des Sulla nicht unbedeutend gewesen sein,
da Scribonius es vorzog, nicht zu stürmen, sondern durch Abschneiden
des Wassers den Aristion zur Übergabe zu zwingen; d. h. also, die
Burgquelle, die Klepsydra, war damals noch gar nicht oder nur un-
genügend in die Befestigungen eingeschlossen, so dass sie von den Be-
lagerten nicht benutzt werden konnten. Es ist wol möglich, dass Aristion
einen Teil des Aufgangs rücksichtslos für Verteidigungszwecke herrichtete,
denn wir wissen ja, dass er sich nicht scheute, das perikleische Odeion
am Südfusse der Burg in Brand zu stecken, damit es den Feinden nicht
als Stützpunkt, dienen könne. Es ist wahrscheinlich, dass in dieser Zeit
der Grund zu jener Zerstörung des mnesikleischen Aufgangs gelegt wurde,
welche sich allmälig so steigerte, dass circa 100 Jahre später ein Treppen-
Neubau notwendig wurde.

Ehe aber dieses geschah, muss das Postament des Agrippa errichtet
worden sein; denn seine Stellung beweist, dass es noch nach den älteren
Mauern des mnesikleischen Aufgangs orientiert ist, nicht nach der durch
die neue Treppenanlage bestimmt ausgesprochenen axialen Richtung.
Mithin kann diese, welche, wie wir aus technischen Gründen später
sehen werden, nie im Projekt des Mnesikles gelegen, sondern ein römi-
sches Werk ist, erst nach 27 v. Chr. fallen. Von welchem der Athen
bevorzugenden Cäsaren sie stammen mag, ist direkt nicht zu bestimmen.

1 Mitgeteilt O. Jahn, Pausan. arc. descriptio Nr. 75.

2 Vgl. Hermes 1876, pag. 145 ff.

3 C. i. Gr. I, Nr. 521.

' Mitgeteilt v. Pittakis in Ephem. Nr. 581.

An Hadrian dabei zu denken, ist auch aus anderen Gründen unwahr-
scheinlich. Daher mag die auch anderwärts bereits ausgesprochene Ver-
mutung hier zu hoher Wahrscheinlichkeit erhoben werden, dass jene
vorerwähnte Pyloreninschrift die Vollendung jener Prachttreppe, also im
oder unmittelbar nach dem Jahre 38 n. Chr. bezeichnet.

Dass die Treppe nicht etwa zu verschiedenen Zeiten entstanden',
sondern zugleich mit den unteren Turmvorsprüngen aus einer Epoche
sei, ist durch die technische Untersuchung festgestellt worden; dem wider-
spricht auch nicht der Charakter der Werkzeichen an den Untermauern
[vgl. II, pag. 37], die nach dem Urteil von U. Köhler nur in die Zeit
der ersten Jahrhunderte n. Chr. fallen können.

Es schliesst dieses nun die Annahme aus, dass die vorerwähnte
Marcellinusinschrift hierauf zu beziehen sei, wie man wol gewollt hat2;
es erscheint mir dieses auch aus sonstigen Gründen im hohen Maasse
unwahrscheinlich. Der Inschriftblock gehört mit mehreren anderen an
gleicher Stelle befindlichen augenscheinlich zusammen, deren einer die
zierlichen Profile eines ionischen Architraves zeigt; sie werden sämmtlich
Teile des auf der Widmungsinschrift erwähnten Torbaues sein, passen
aber weder im Material noch Charakter auch nur entfernt zu der Kon-
struktion jener Turmmauern; wir werden vielmehr ein anderes, am eigent-
lichen Wege liegendes Portal annehmen müssen, welches von dem jetzigen
Fundort nicht zu entfernt gewesen sein mag und das den späteren Festungs-
bauten weichend vollständig verschwand [vgl. pag.38 ].

Soviel zur Geschichte des Aufgangs im Altertum.

Der gesammte untere Teil erfuhr später eine durchgreifende Än-
derung und erhielt eine Form, die wir noch heut unter den türkischen
Umbauten genau verfolgen können; eine grosse Mauer wurde quer über den
Aufgang gezogen, in der Mitte eine Marmortür, dahinter ein gewölbter
Längsraum, beiderseits von mehretagigen Türmen flankiert; seitwärts
daran schliesst sich eine Strebepfeilermauer. Dass dieses Alles zu gleicher
Zeit entstanden, aber nicht mehr der römischen Herrschaft angehört,
wird bei der technischen Besprechung gezeigt werden. Andererseits aber
können wir auch nicht in das hohe Mittelalter hinaufgehen, da die ver-
gleichende Betrachtung zeigt, dass die Florentiner anders zu bauen pflegten,
als hier geschehen, dass dieses vielmehr die grösste Verwandtschaft mit
der gewölbten Cisterne im Nordosten der Propyläen hat, über welche
— also später — der herzogliche Palast fortgebaut wurde. Da wir nun
aber von einer besonderen Bautätigkeit in der ganzen Periode nur einmal
wissen, und da im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts diese der mittel-
alterlichen Kampfweise ganz entsprechenden Befestigungen schon bestanden
haben müssen, so ist es dadurch wenigstens zu grosser Wahrscheinlichkeit
gebracht, dass diese Veränderungen der Tätigkeit Justinians zuzuschreiben
sind. Denn es wird uns ausdrücklich überliefert8, dass dieser Kaiser die
Städte Griechenlands (und Athen wird dabei speziell genannt) neu befestigt,
resp. das Vorhandene ergänzt habe, dass er Räume für Militär, Cisternen
u. s. w. angelegt habe, damit über 2000 Mann darin Aufnahme finden
konnten 4.

Etwas sicherern Boden gewinnen wir in der letzten Zeit des Mittel-
alters. Wir wissen5, dass im Jahre 1203 Leon Sguros, der ehrgeizige
Archont von Nauplion, vergeblich die durch den Erzbischof Michael
Akominatos energisch verteidigte Akropolis zu stürmen versuchte; die
hohen Mauern und der unerschrockene Mut der Belagerten wiesen jeden
Angriff zurück. Doch als nach dem Falle von Byzanz König Bonifacio
mit dem Frankenheere gegen Athen vorrückte, da übergab der verständige
Erzbischof Stadt und Burg, weil er wol einsah, dass diesen geübten Kriegern
gegenüber auf eine erfolgreiche Verteidigung keine Aussicht sei. Der bur-
gundische Ritter Otto de Ia Roche erhielt Theben und Athen; und im

1 So nimmt z. B. Eustratiadis an: sitvjp. avsxS. tpoXX. II. 1852, pag. 4.

2 Vgl. Eustratiadis a. a. O.; auch Wachsmuth schliesst sich dem an a. a. 0.,
pag. 704, Anmkg. 3.

3 Procop. de aedific. IV 2 Bd. III, pag. 272.

4 Eine grössere Sicherheit werden wir in diese Frage erst bringen können, sobald
die Befestigungszüge der Stadt in den verschiedenen Epochen und namentlich ihr An-
schluss an die Akropolis näher untersucht und bestimmt sein werden, wozu hoffentlich
die schon so lang geplanten Ausgrabungen am Nordwestabhang der Burg führen werden.
Doch mag schon hier auf die Ähnlichkeit in der Konstruktion zwischen dieser Tormauer
und jenem inneren Befestigungsring nördlich der Burg hingewiesen werden, wie solches
auch namentlich bei den Türmen an der Attalos Stoa hervortritt.

•- Vgl. Hopf in Ersch u. Gruber's Encyclop. I. Section. Bd. LXXXV u. LXXXVI
 
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