und Hansen noch in demselben Jahre 1835'. Die anschliessenden
Schmarotzerbauten riss man nieder, die Mittelhalle wurde von ihren
Gewölben und Trennungswänden mit den Zinnen befreit, die Etagen
über dem Nordflügel abgebrochen, und die bedeutenden Schutt- und
Trümmermassen, welche den Marmorboden bedeckten, bei Seite geschafft.
Zugleich hiermit begann man mit der Abtragung der grossen Batterie
zwischen Nikepyrgos und Agrippapostament. Da sich hierin die Bau-
glieder des Niketempels noch ziemlich vollständig und wolerhalten wieder-
fanden, auch dessen Stereobat mit einigen Basen noch in situ lag, so war
es möglich, denselben nur mit einigen Ergänzungen wieder aufzurichten.
Leider war diese fruchtbringende Tätigkeit von Ross und seinen
architektonischen Gefährten nicht von langer Dauer; er wurde verdrängt,
und an seine Stelle trat Pittakis. Der Abbruch wurde, wie am Nord-
flügel, nur unvollkommen vollendet, so dass noch jetzt von den Wänden
der Pinakothek die bemalten Putzflächen der florentiner Kanzlei herunter-
schauen. Dafür richtete man in der Mittel- und Nordhalle eine Samm-
lung von Inschriften, Skulpturen und Architekturfragmenten ein, aber in
wenig passender und würdiger Weise, so dass ein Teil bereits zusammen-
gestürzt ist, und das Übrige eine genauere Untersuchung des Fussbodens
und der Wände behindert.
Die nächstfolgende grössere Aufräumung erfolgte im Jahre 1852
auf Kosten der französischen Regierung durch das damalige Mitglied der
6cole francaise, E. Beule. Es wurde ein Teil der unteren türkischen
Bastion abgebrochen, und dadurch der Unterteil der römischen Treppe
mit den beiden turmartigen Vorsprüngen und die späte Mauer zwischen
ihnen freigelegt2.
1 Vgl. Die Akropolis von Athen. I. Der Tempel der Nike apteros von Ross,
Schaubert und Hansen. Berlin 1839.
L. Ross, Archäolog. Aufsätze.
2 Das von Beule selbst zu einer bedeutenden Entdeckung aufgebauschte aber
unbedeutende Resultat ist niedergelegt in seinem Werke: l'acropole dAthenes. Paris 1853,
Die grosse Baufälligkeit vieler antiker Teile, namentlich der Stütz-
mauern aus Porös, machte eine umfassende Restauration im Jahre 1865
notwendig, so namentlich an dem terrassierten Unterbau der Pinakothek,
seinem südlichen Krepidoma, der Westseite des Nikepyrgos und dem
Agrippapostament. Im Anschluss an die Beule'schen Arbeiten und in
dem irrtümlichen Gedanken, es hätte schon in Mnesikles Plan eine grosse
Marmortreppe des Aufgangs gelegen, wurde auf der südlichen Seite ein
circa drei Meter breiter Stufenaufgang aus alten Fragmenten hergestellt;
eine recht traurige Zutat, unschön in der Idee, höchst mangelhaft in der
Ausführung.
Im Jahre 1874 fiel nun auch das letzte, weithin sichtbare Vor-
zeichen einer späten Zeit; der grosse Turm über dem Südflügel wurde
von der griechischen archäologischen Gesellschaft auf Kosten von Schlie-
mann sorgfältig abgebrochen und die darin enthaltenen Bauglieder in
geschickter Weise auf dem Plateau südöstlich von den Propyläen aus-
gebreitet.
Als letztes seien noch die von mir im Frühjahr 1880 unternommenen
Nachgrabungen zu erwähnen sowol zwischen Südflügel und Niketempel, als
auch namentlich die gründlichere Säuberung des ganzen Aufgangs, soweit
derselbe innerhalb der jetzigen Burgmauern liegt, welche für die Klärung
einer Reihe darauf bezüglicher Fragen gewinnbringend waren1.
Aber so lange nicht die mächtigen Türkenmauern gefallen, welche
jetzt noch die Burg vollständig abschliessen, und so lange das Vorterrain
nicht bis auf den antiken Boden gesäubert ist, so lange können wir die
Arbeiten hier nicht als beendet betrachten.
sowie noch ausführlicher in: fouilles et d6couvertes, resumees et discutees en vue de l'histoire
de l'art. Paris 1872. Band I.
Eine kleinere Ausgrabung war bereits 1845 nahe dem Agrippapostament von
einigen Mitgliedern der ecole francaise vorgenommen worden.
1 Bericht über die Ausgrabungen auf der Akropolis im Frühjahr 1880. Mit-
teilungen des Deutschen Archäolog. Instituts in Athen. 1880. Heft III u. IV.
Ich will hier gleich anschliessen, was von Aufnahmen des Denk-
mals bereits vorliegt; ältere skizzierte Ansichten habe ich bereits an den
betreffenden Stellen erwähnt; die erste speziellere Kenntniss und einen
genaueren Grundriss verdanken wir dem Werk von Stuart, dem Maler,
und Revett, dem Architekten1.
Bei ihrer ersten Anwesenheit 1751 bis 1753 widmeten sie den Pro-
pyläen nur einige allgemeinere Bemerkungen, die mehrfach irrtümlich sind,
wie z. B. die Ansetzung des Niketempels in der Nordhalle der Propyläen.
Als jedoch auf Kosten der »society of dilettanti« im Jahre 1765 bis 1766
Revett, Pars und Chan dl er zum zweiten Mal nach Athen kamen,
konnten sie zu einer genaueren Aufnahme schreiten, bei der die Zeich-
nungen das Wichtigste, der Text nur nebensächlich gehalten ist (Band II,
Cap. V). Die Fünftorwand wird richtig als der eigentliche Burgeingang be-
stimmt; irrtümlich ist die Annahme einer mit dem Agrippapostament kor-
respondierenden Basis — wo jetzt der Nikepyrgos — sowie die Ansetzung
des Niketempels und der Pinakothek; Revett bemerkt allein das Richtige
(a. a. O. pag. 98, Anmkg. 13). Da der Boden noch hoch mit Schutt
bedeckt war, erkannten sie weder den mittleren Durchgang noch die
ionischen Säulen [letztere auf einem Sockel, aber ohne Kapitale]. Interessant
ist jedoch die Nordansicht, welche die konsolartige Ausladung bereits richtig
darstellt. Die Details allerdings sind oft unzuverlässig.
In der neuen englischen Ausgabe von 1825 bis 1827 werden jedoch
eine Reihe dieser Irrtümer bereits berichtigt und Ergänzungen hinzugefügt;
der mittlere Durchgang als solcher wird gesondert, die Bestimmung der
1 The antiquities of Athens. I. 1762. II. 1787. III. 1794. IV. 1816. (Deutsche
Übersetzung von Wagner. Darmstadt 1829. Osann. Darmstadt 1831.)
verschiedenen Räume erkannt, auch bereits auf die Ansätze der alten quer
über den Aufgang hinlaufenden Mauer hingewiesen. Die grosse Basis auf
der Südseite wird beseitigt, und schon aus den Klammerspuren konstatiert,
dass der Südflügel ursprünglich bis zu einer der Nordhalle entsprechenden
Ante gereicht habe. Auch auf die eingeritzten Umrisse der Bemalung
wird hingewiesen.
Die malerische Ansicht der Westfront, sowie die spätere von
W. Kinnard in dem Supplementband (London 1830) ist bereits oben
(pag. 8) besprochen worden. Zu vergleichen hiermit ist die Aufnahme
der Propyläen von Eleusis1. Denn diese sind, soweit es die Mittel-
halle betrifft, eine fast genaue Kopie der Athener Propyläen. Die geringen
Maassdifferenzen können durch eine kleine Verschiedenheit im Einheits-
maass entstanden sein. Fehlerhaft ist in der dortigen Rekonstruktion nur
die Felderdecke in der Osthalle in Bezug auf die äussersten beiden
Stroterenbalken, wenn man sie mit den unsrigen vergleicht, wo durch
die noch vorhandenen Reste von Kalymmataplatten, die mehr als zwei
Vertiefungen haben, das Vorhandensein einer grösseren Spannung an
dieser Stelle gesichert ist.
Hier anzuschliessen ist die Arbeit des Architekten le Roy, welcher
1754 bis 1755 in Athen war, angereizt durch die bekannt gewordene Tätigkeit
der Engländer, und der bereits 1758 sein Werk >ruines des plus beaux
monuments de la Grece« reich an Phantasie aber auch an Flüchtigkeit
herausgab. Sein Grundriss ist falsch, namentlich was die Ansätze der
Flügelbauten betrifft; der Durchschnitt lässt jedoch einige richtige Beob-
1 Altertümer von Attika, herausgegeben von der Gesellschaft der Dilettanti zu
London. (Übersetzt von Wagner. Darmstadt 1828.)