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Bohn, Richard
Die Propylaeen der Akropolis zu Athen — Berlin u.a., 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.675#0022
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von Michaelis1 angenommen worden, nordwärts fort, sondern biegen
scharf nach Osten um; man kann sie bis unmittelbar an die jetzigen
Treppenstufen verfolgen; diese verhindern jede weitere Nachforschung;
eine jenseits derselben bis auf den Felsen hinabgeführte Grabung zeigte
einen zwar zerklüfteten aber stark abgenutzten Boden, welcher auf die
Fortsetzung des Weges an dieser Stelle schliessen lässt; derselbe führte
also längs jener Polygonmauer allmälig empor. Wie weit, wissen wir
nicht. Hoffentlich wird einmal jene moderne Treppe abgebrochen werden,
und dann dürfen wir hier eine weitere Klärung erwarten'2.

Der dritte Rest jener ältesten Gründungen ist die gewaltige Mauer
südlich der Propyläen. Sie dehnt sich von der Südmauer der Burg
aus in nordöstlicher Richtung, hart an der jetzigen Südostecke des Süd-
flügels vorüber, letztere zum Teil abschneidend, bis sie kurz vor der
Südwand der Mittelhalle in einer späteren — Pisistr^jlischen — Tor-
anlage endigt. Auf diese kommen wir später. Die Mauer unterscheidet
sich aber wesentlich von den vorbeschriebenen, wie die Zeichnungen auf
Taf. X zeigen. Die Blöcke sind bedeutend grösser, bis über 2 m lang,
die Fügung durchaus unregelmässig; die Mauerhöhe beträgt jetzt nur
circa 2,50 m; doch war sie einst viel bedeutender. Sie diente ursprünglich
wol nicht allein als Stützmauer des sich dahinter ausbreitenden Plateaus
der 'Artemis Brauronia-Terrasse, sondern war auch Verteidigungswerk,
welches wie der Nikepyrgos dem Eintretenden zur rechten, also unbe-
schildeten Seite den letzten Burgeingang beherrschte.

Es soll mit dem Vorhergehenden nicht gesagt sein, dass nunmehr
diese sämmtlichen Mauerzüge genau aus derselben Zeit stammen, was
sogar nach der Verschiedenheit der Technik höchst unwahrscheinlich ist.
Der älteste ist wol jener letzterwähnte; aber es wäre vergeblich, bei dem
geringen vorhandenen Material hier genauere zeitliche Bestimmungen ver-
suchen zu wollen; diese Mauern seien nur als älter unterschieden von
einer späteren Umwandlung und Ausschmückung, die der Aufgang erfahren;
dass dieses in der Zeit der Pisistratidenherrschaft geschehen, ist schon
oben [vgl. pag. 3] als sehr wahrscheinlich hervorgehoben worden. Der
Charakter dieser Umbauten ist ein wesentlich anderer; der Fels wird
zur Aufnahme der Mauern in ausgedehnterem Maasse und sorgsamer
bearbeitet, als dieses früher der Fall war, wo es nur vereinzelt auftritt.
Auch genügt nicht mehr der Burgstein; die Wände, Pfosten u. s. w.
werden aus Porös und Marmor gebildet. Das Wichtigste aus dieser
Zeit ist eine grössere Toranlage, deren Axe nach Ost-Nord-Ost gerichtet

1 Vgl. Ad. Michaelis: „Bemerkungen zur Periegese der Akropolis von Athen"
in den Mitteilungen d. Deutsch. Archäol. Instituts in Athen. 1876. Heft IV, pag. 275 ff.
Die vom Verfasser daselbst niedergelegten Ansichten über den älteren Aufgang, den er
auch mit den, wie wir sehen werden, moderneren Spuren am Agrippapostament in Ver-
bindung bringt, dürften sich darnach bedeutend modifizieren. [Vgl. auch pag. 35.]

1 Anschliessend hieran will ich gleich die von C. Robert in den „Philologischen
Untersuchungen, Heft I, pag. 173 ff., der Aufgang zur Akropolis" ausgesprochenen An-
sichten erwähnen. Der Verfasser geht zunächst davon aus, dass das Pelasgicon nur
am Nord-Westabhang der Akropolis gelegen haben kann, was durch nichts bezeugt ist,
indem es vielmehr näher liegt, dasselbe als ein sozusagen segmentförmiges Ringstück
aufzufassen, welches den gesammten gefährdeten Westhang umfasste und dessen am
weitesten nach Nord-Osten vorgeschobenes Werk die Burgquelle, die Klepsydra, schützte,
also bis unterhalb der Pansgrotte sich ausdehnte. Aus seiner Annahme folgert nun Robert,
dass ein ziemlich direkter Weg, von dem westlichen Propyläenhexastil ausgehend, am
Agrippapostament vorüber auf den Areopag zu geführt habe. Ist schon der erste Teil
desselben, wie wir später sehen werden, bei dem vollständigen Fehlen der Spuren durch
nichts bezeugt, so ist seine Fortsetzung über das steil abfallende Terrain nicht gut denk-
bar. Denn ein Blick auf dasselbe lehrt, wie nur eine energische Krümmung, und zwar
nach Süden, ein Hinabführen des Weges ermöglicht. Da nun die Spuren unterhalb des
Nikepyrgos sich dem Plane des Verfassers nicht einfügen lassen, so sucht er das ganz
unbestreitbar in ein höheres als das 5. Jahrhundert gehörende Alter derselben abzuleugnen
oder sie einem Nebenwege zuzuweisen. Wohin sollte dieser führen, und warum markiert
er sich so bestimmt, während vom Hauptweg nirgends eine Spur zu bemerken ist?

Dass die Beweise für die angenommene Wegerichtung nicht immer ganz glücklich
gewählt sind, dafür will ich nur das eine vom Verfasser hervorgehobene Argument an-
führen, dass nämlich die in dem mittleren Durchgang von Süd-Ost nach Nord-West
laufenden Stufenbettungen ein Beleg für die nordwestliche Direktion des Weges seien
während doch die Längsrichtung einer Stufe normal ist zur Richtung des über sie Fort-
schreitenden, mithin jene Reste gerade die entgegengesetzte, d. h. südwestliche Wendung
aussprechen würden.

Dass der einzige vor der Burg gelegene Hügel, der Areopag, der ganz natur-
gemäss als Operationsbasis für den Angriff auf die Westfront gegeben war, nur dann
als solche hätte dienen können, wenn die Befestigung am Nordwestabhang gewesen,
dem vermag ich mich nicht anzuschliessen, ebensowenig wie aus den Worten öma&e 6e
tiüv ituXiiov Mä Tijs äv<S8oo, womit das Aglaurion bezeichnet wird, ein Schluss auf den genauen
Standpunkt, von dem aus dieselben gedacht sind, gemacht werden kann; und dass deshalb
Areopag, Pelasgicon und Aglaurion in einer geraden Linie liegen müssten! fetafts
bezeichnet eben nur vom Standpunkt der im Westen gelagerten Perser eine Ersteigung
der Burg im Rücken der Belagerten! Dasselbe würde auch seine Geltung haben, wären
die Eroberer am Ost- oder Südabhang emporgestiegen!

ist und die sich an jene ältere Polygonmauer anschliesst, aber in einer
veränderten Richtung. Soweit sie nicht unter den mnesikleischen Pro-
pyläen verschwunden, ist sie, weil lange verschüttet, in ihren unteren
Partieen gut erhalten [siehe Grundriss Taf. III und Ansicht Taf. X]. Den
Anschluss an die Polygonmauer bewirkt zunächst ein Pfosten, dessen
Kante aber eine gebrochene Linie bildet, eben der unregelmässigen Aus-
weichung der Mauer folgend. Auch hierin sehe ich, wie in der ver-
schiedenen Technik, einen Grund, diesen Torbau nicht etwa als gleich-
zeitig mit der Stützmauer, sondern als einen späteren Zusatz aufzufassen.
Diesem Pfosten schliesst sich ein kurzer unten 1,077 langer Mauer-
schenkel an, noch in fünf Porosschichten erhalten, von je 0,55—0,60 m
Höhe mit gutem Fugenschluss derart, dass jede Quader an der Unter-
kante ihrer Vorderfläche einen vertieften Saum zeigt. Dieser Schenkel
endigt in einer allerseits vorspringenden Marmorante von 0,573 resp. 0,580
seitlicher und 0,830 Stirnbreite. Sie besteht jetzt noch aus zwei hoch-
kantigen Blöcken von je 1,815 m Höhe. Mauer und Ante ruhen auf
einer gemeinschaftlichen 1,172 breiten und 0,320 hohen Marmorschwelle;
diese, sowie eine nur 0,140 hohe Unterschwelle laufen bis an die Pro-
pyläen Mittelhalle, von welcher sie durchschnitten werden. Östlich schliesst
sich hieran mit winkelrechtem Fugenschnitt ein Marmorplattenpflaster,
südlich durch eine auf besonderer Schwelle ruhenden 1,180 hohen Marmor-
plattenbekleidung der Stützwand für das Temenos der Artemis Brauronia
begrenzt. Die Platten sind leicht rauh mit Randbeschlag; über sie zog
sich bandartig eine nur 0,085 m starke Marmorschicht. Das darauf
folgende Mauerwerk lässt sich nur in seinen Anschlussspuren an dem
Pfeiler nachweisen, ist aber im übrigen zerstört. Dieses sowie die Schenkel-
mauer waren geputzt und rot gefärbt, einige Reste davon haben sich in
dem südwestlichen Winkel erhalten'. Es könnte fraglich erscheinen, ob
dieser Putz ursprünglich beabsichtigt war, da die Platten und Quadern
mit ihren eingeschnittenen Rändern dazu wenig vorbereitet erscheinen;
diese Vertiefungen sind zuerst mit einem groben Kiesmörtel ausgeglichen,
und dann ist die feinere Putzschicht aufgebracht worden.

Wenn wir hierin, wie ja schon Ross [a. a. O. pag. 81] und nach
ihm andere vermutet haben, die Reste einer älteren Propyläenanlage
voraussetzen dürfen, so sind hiermit auch wegen der axialen Richtung
jene Spuren innerhalb des jetzigen Mittelganges in Verbindung zu bringen.
Denn parallel mit der vorerwähnten Pfostenwand, also auch deshalb un-
möglich zu dem Bau des Mnesikles gehörend, zeigen sich dort mehrere
stufenartige Bettungen übereinander, in den natürlichen Fels gearbeitet
mit Vor-und Rücksprüngen; die Art ihrer Oberfläche zeigt uns, dass sie
in ihrer jetzigen Form nicht direkt als Stufen dienen, sondern nur Bettungen
sein konnten zum Teil für Pfeiler, zum Teil für Plattenbelag, der zu
einem von Süd-West herkommenden Wege gehörte. Beiderseits verlieren
sich diese Spuren unter dem Pflaster der Mittelhalle, zum Teil auch
durch den späteren Weg beschränkt, in der Mitte von dem Wasserkanal
durchschnitten.

Unschwer lässt sich aus diesen Resten ein ungefähres Bild der
Orientierung und Ausdehnung dieses älteren Torbaues gewinnen; seine
Südwand haben wir schon beschrieben; parallel damit lief nördlich, von
eben jenen Pfeilerspuren ausgehend, die korrespondierende Wand, welche
in einer der Südseite vermutlich ähnlichen Pfeilerbildung endigte; der
Abstand zwischen beiden, also die gesammte Wegbreite, würde sich auf
circa 8 m bestimmen; die hierdurch gegebene Axe würde den oben be-
schriebenen, längs des Nikepyrgos heraufkommenden Weg ungefähr an
der Stelle der Südhalle treffen, wo jetzt die Säulenlehre ist; dort müsste
also derselbe geknickt haben; die nordöstliche Verlängerung dieses älteren
Aufganges zeigt sich, wie auch schon Michaelis [a. a. O.] hervorgehoben
hat, in den Wegspuren östlich der Propyläen zwischen dem zweiten und
dritten Intercolumnium von Nord her, die also gleichfalls nichts mit dem
mnesikleischen Eingang zu tun haben können.

Ausserhalb dieser Toranlage, aber mit dem Rücken gegen die
Brauronische Stützmauer gelehnt, lag ein altes Heiligtum; seine Aus-
dehnung nach Süd-West lässt sich bestimmen; wie weit dasselbe jedoch
nach Nord-West vorgetreten, lässt der Südflügel, der in und auf dem-

Vgl. auch L. Ross, Archäologische Aufsätze I, pag. 77 ff.
 
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