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Bohn, Richard
Die Propylaeen der Akropolis zu Athen — Berlin u.a., 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.675#0040
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genau aufeinander geschliffen werden. Dieser exakte Schluss konnte
natürlich nicht auf dem Werkplatz erreicht werden; wir werden uns viel-
mehr die Sache so denken müssen, dass auf die untere feste Trommel
die folgende aufgebracht und vermittelst des Zapfens geführt wurde; durch
zwei mächtige hebelartig wirkende Balken, die an der oberen befestigt
waren, konnte dann vermittelst Menschenkräfte diese so lange auf der
unteren drehend hin- und herbewegt werden, bis durch die Abschleifung
der Flächen vermittelst nassen Sandes etc. der vollständige Schluss erzielt
wurde. Dann erst wurden die Canneluren angelegt.

Die Kapitale der dorischen wie der ionischen Säulen haben ein
besonderes Scamillum, entsprechend auch die Architrave einen besonderen
Vorsprung, so dass auf die Abacuskante niemals ein Druck kommen
kann, sondern zwischen ihr und dem Architrav stets eine Fuge bleibt.

Auch der kleine freistehende Pfeiler in der Südhallc^at in seinem
Kapitälblock zwei rechteckige Vertiefungen [vgl. Taf. XVI, Nr. 4], die
auf eine ähnliche Verbindung, wie bei den Säulen, hinweisen, mit dem
Stylobat hat er jedoch keine Verbindung. Bei dem grossen Nordwest-
pfeiler dagegen sind die einzelnen Quadern ohne jede Verbindung durch
ihre eigene Schwere gegen Verschiebung gesichert, nur ist die hochkantige
Sockelschicht durch Spitzdübel mit der Stylobatplatte verbunden gewesen,
wol deshalb, weil sie aus mehreren Stücken bestand.

Zuweilen kommt es auch vor, dass Blöcke, die, schon che sie
versetzt wurden, sprangen oder von denen etwas abgestossen war, und
die man nicht wegwerfen wollte, durch Klammerbänder geflickt wurden;
so erwähne ich einen Sockelblock des Nordwestpfeilers [Taf. XVI, Nr. 1 ß],
wo ein Sprung durch zwei mächtige Klammern auf der Unterfläche ge-
halten ist, so einige Kalymmataplatten, wo der Astragal besonders ein-
gefügt ist; so zeigt ja auch die eine Stufe der Fünftorwand auf der
Nordseite, ein schon in antiker Zeit eingeflicktes — jetzt herausge-
brochenes — Stück.

Dass die Wände durchweg im Innern einen Farbenton erhalten
hätten, ist unwahrscheinlich; man müsste denn annehmen, dass jene leicht
rauhe Schlichtung der Oberfläche, von der wir oben gesprochen, direkt
dazu bestimmt gewesen wäre, einen besonderen feinen Putzbewurf auf-
zunehmen, auf den dann die Farbe aufgetragen wäre, wie sich ähnliches
an den vollendeten Bauten, z. B. an der Parthenoncella erkennen lässt,
und am Erechtheion und Theseion erhalten hat. Ebenso wenig erkennt
man an den Säulenschäften und Anten irgend welche Reste einer Tönung;
desto wirkungsvoller mag dagegen die Färbung des Gebälkes und der
Decke hervorgetreten sein; diese ist durch vielfache Reste beglaubigt.
Fast sämmtliche Profile erscheinen jetzt ,,glatt"; sie erhielten ihre belebende

Charakteristik, den Ausdruck ihrer Funktion, durch die Malerei. Es
wurde dieses in der Art bewirkt, dass man nach dem Schema des Orna-
ments geschnittene und nach dem Profil gekrümmte Schablonen auflegte,
und dieselben mit einem spitzen Instrumente so lange umriss, bis sich
die Konturen als feine Rinnen auf dem vorher sauber geschliffenen Marmor
ausprägten. Diese haben sich erhalten und lassen die Zeichnung auf das
Genaueste erkennen1. Hierauf wurden denn, wie Bötticher annimmt,
die verschiedenen Flächen „durch kalt gelöste Wachsfarbe ausgefüllt und
nach Vollendung der Malerei mittels stark erhitzter Metallkörper so ein-
gewärmt, dass sie der Marmor einsog". Zeigen einerseits die Konturen
die Zeichnung, so tritt auch ausserdem der Fall ein, dass diejenigen Flächen,
welche durch Farbe gedeckt waren, ihre Glätte behalten haben, während
andere unbedeckte, oder nur durch einen leicht zersetzbaren Stoff über-
zogen, in ihrer feinen Haut durch die Witterung angegriffen und vertieft
wurden, so dass sich die Malerei als ganz leichtes Relief abhebt; oft ist
es nur so gering, dass man die Stücke in ein scharfes Streiflicht bringen
muss, um diese Differenz durch die Beleuchtung überhaupt wahrnehmen
zu können.

Die einzige Abweichung von dem „glatten Profil" zeigen die ioni-
schen Kapitale; hier ist die Kunstform des Kymation durch Skulptur
erwirkt; sie scheint ausserdem, nach einigen Spuren zu urteilen, durch
Malerei kräftiger hervorgehoben zu sein; wo das Kymation sich aber
unter den Voluten versteckt, ist es nur schematisch im Relief gebildet,
und die Bemalung darauf ist deutlich erkennbar. Einen interessanten
Wechsel zwischen Flachrelief und glattem Profil mit Malerei zeigt auch
die Sima, wie oben bereits hervorgehoben.

Ob auch der Echinus der dorischen Säulen das Blattschema zeigte,
wie es wahrscheinlich, vermochte ich trotz wiederholter Prüfung nicht zu
unterscheiden; dagegen sind die Kymatien der Antenkapitäle, der Gesimse,
Balken und Kalymmata in der Zeichnung scharf ausgeprägt; leider lassen
sich die Farben nicht mehr überall erkennen; blau, rot und grün scheinen
vorzuherrschen. Interessant sind auch die verschiedenen Motive in der
Stroterendecke, unter denen der Stern in zwei verschiedenen Formen vor-
herrschte [vgl. pag. 22]. Bei Penrose, Taf. XXV, sind die verschiedenen
farbigen Restaurationen zusammengestellt; ich verzichte deshalb hier auf
eine speziellere Wiedergabe. Eine umfangreiche Bemalung erlitt auch
das Geison; hierfür haben sich die besten Beweise unter den aus dem
Turm gezogenen Stücken des Südflügels erhalten, welche die Farben
deutlich erkennen lassen; die Junktur ist rot, die viae rings blau.

1 Vgl. auch Bötticher, Tektonik, pag. 5g f.

C. DER BURGAUFGANG.

lvein Teil der Propyläen ist im Laufe der Jahrhunderte so gründ-
lich verändert und vollständig umgestaltet worden, als gerade der Haupt-
aufgang. Dieses äusserte sich nicht so sehr in einem Um- und Überbauen
des Ursprünglichen, als vielmehr grösstenteils in einem vollständigen
Rasieren desselben und Tieferlegen des gesammten Niveaus, so dass die
Spuren des mnesikleischen Aufgangs dadurch fast spurlos verschwanden.
Nur mit Mühe kann man diese in einigen bis auf den Fels hinabgehenden
Gründungen verfolgen, andererseits aber indirekt aus der Gestaltung der
den Aufgang beiderseitig begleitenden wangenartigen Mauern Folgerungen
ziehen. Hierin ist auch der Grund zu suchen, warum gerade darüber
die Ansichten so bedeutend auseinandergehen, wie ich solches bei der
Geschichte des Denkmals hervorgehoben habe.

Es ist schwer, in diesem Wirrwarr einen festen Boden zu gewinnen;
die geschichtlichen Zeugnisse verlassen uns fast vollständig; sichere Kennt-
niss haben wir erst aus der Zeit des 17. Jahrhunderts. Für das Frühere
konnte nur eine möglichst detaillierte technische Prüfung einige Hoffnung
auf weitere Anhaltspunkte geben. So lange der Aufgang aber in so
umfangreichem Maasse noch mit Erde und Trümmern bedeckt war, wurde
solche Forschung sehr erschwert; ich entschloss mich daher zu einer
etwas gründlicheren Reinigung, speziell zwischen dem westlichen Hexa-

styl und dem Untertor; über den Gang und die Resultate dieser Aus-
grabungen habe ich an anderer Stelle spezieller berichtet [vgl. I, pag. 9 ].
Sie waren für die Gewinnung entscheidender Momente in manchen Fragen
nutzbringend; sie konnten aber nicht erschöpfend sein, so lange man
nicht an eine vollständige Aufräumung und Abtragung aller späteren
Zutaten denken kann. Hoffentlich ist es nur noch eine Frage der Zeit,
dass jene gewaltigen entstellenden Mauermassen fallen, damit sich der
Aufgang mit den Propyläen in seiner ganzen imposanten Gestaltung dem
von West Herankommenden darbieten möge.

Trotz dieser Beschränkung konnte wenigstens in der Bestimmung
der zeitlichen Unterschiede bei den verschiedenen Baulichkeiten viel ge-
wonnen werden. Zunächst will ich aber all die Merkmale und Tatsachen,
welche hierfür von Bedeutung sind, zusammenstellen und daraus die Ge-
staltung in den verschiedenen Epochen entwickeln.

Die Stufen unter 'dem westlichen Hexastyl sind als solche nicht zu
dem eigentlichen Aufgang zu rechnen. Jedoch beginnen wir mit der
untersten derselben, weil sie einige bestimmende Anhaltspunkte bietet.
Wie alle übrigen, ist auch sie unterschnitten; aber die nördliche Hälfte
zeigt, dass diese Unterschneidung später in roher Weise nach oben
erbreitert wurde [vgl. Taf. XV, Nr. 2, auch die Ansicht Taf. IV]. Beides
 
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