VORWORT
Es gibt in der Schweiz eine Tradition der bildhaften Gestaltung, die zwar der allgemeinen
Entwicklung mannigfach verbunden ist, daneben aber typische Wesenseigentümlich«
keiten hat. Sie äußern sich in der landschaftlichen Darstellung wie im Bildnis und wie
in der Figurenkomposition, sei es, daß eine eher malerische Anschauung bevorzugt wird,
sei es, daß auch im Aufbau eine spezifisch zeichnerische Struktur vorwiegt. Das oft von
starken Stimmungsschwankungen gepaarte Wirklichkeitsbedürfnis des geborenen Alpenländers,
des Sprossen einer subalpin orientierten Landschaft, kann sicher nicht geleugnet werden. Reicht
es doch vom Erwachen des nationalen Individualismus und von der künstlerischen Entdeckung
der Hochgebirgswelt bis in die Gegenwart hinein. Ja, noch in der sentimentalischen Umkehr
der Vedutenmalerei, der klassizistischen Idylle und des erzählerischen Genre kann man die Be-
stätigung der allgemeinen Bindung sehen, die den einzelnen dem Ganzen, das Ganze aber
auch dem einzelnen verpflichtet. Als klassisches Schulbeispiel für solche und ähnliche Gedanken-
gänge darf immer wieder Hodler zitiert werden. Seine frühen bernischen Schilderungen setzen
unmittelbar die Bauernmalerei von Albert Anker fort, obwohl die beiden Künstler in keinem
direkten Zusammenhange zueinander stehen. Und ohne den in Genf niedergelassenen Bündner
Menn, der sich in der französischen Tradition nicht weniger gut auskannte als der Inser Bauern«
maier Anker, hängt Hodlers Landschaft völlig in der Luft, soweit sie sich auch von der gold«
tonigen Intimität der Schule Corot entfernt.
Es ist ein von allen berechtigten Interessen nicht zu verschleierndes Verdienst von G. 'SDL. Bollag
(Zürich), die Aufmerksamkeit des Kunstfreundes immer wieder auf die Reserven hinzulenken,
die die Schweiz auf künstlerischem Gebiet besitzt und dabei — neben Eigenem, neben Heimischem
wie dem Verwandten — dem Blick doch auch die Weite internationaler Qualitäten zu erschließen.
So wären im vorliegenden Zusammenhang Namen wie Cezanne, Renoir, Utrillo, Andre Derain
oder Picasso hervorzuheben,- ihnen gesellen sich aus älterer Zeit ein Nattier und der David«
Schüler Legrand bei. Die deutsche Kunst weist neben Werken der Münchener und Düsseldorfer
Schulen, wie dem großen Herrenbildnis Lenbachs, vor allem Hans Thomas «Hain der Egeria»,
den ergreifenden Kopf der «Sinnenden» von Wilhelm Lehmbruck, ein Landschaftsaquarell von
Leistikow und Zeichnungen von Menzel auf. Auch das flämische «Früchtestilleben», ein wahres
Kabinettstück der Tonmalerei, sei hier erwähnt.
Unter den Schweizer Meistern steht Hodler schon zahlenmäßig obenan. In seiner Serie reichen
die beiden Aquarelle zum «Rückzug von Marignano» und zur «Empfindung» am weitesten
zurück, während die lächelnde «Conchita» den Schlußpunkt setzt: ein Werk, das, wie der große
Es gibt in der Schweiz eine Tradition der bildhaften Gestaltung, die zwar der allgemeinen
Entwicklung mannigfach verbunden ist, daneben aber typische Wesenseigentümlich«
keiten hat. Sie äußern sich in der landschaftlichen Darstellung wie im Bildnis und wie
in der Figurenkomposition, sei es, daß eine eher malerische Anschauung bevorzugt wird,
sei es, daß auch im Aufbau eine spezifisch zeichnerische Struktur vorwiegt. Das oft von
starken Stimmungsschwankungen gepaarte Wirklichkeitsbedürfnis des geborenen Alpenländers,
des Sprossen einer subalpin orientierten Landschaft, kann sicher nicht geleugnet werden. Reicht
es doch vom Erwachen des nationalen Individualismus und von der künstlerischen Entdeckung
der Hochgebirgswelt bis in die Gegenwart hinein. Ja, noch in der sentimentalischen Umkehr
der Vedutenmalerei, der klassizistischen Idylle und des erzählerischen Genre kann man die Be-
stätigung der allgemeinen Bindung sehen, die den einzelnen dem Ganzen, das Ganze aber
auch dem einzelnen verpflichtet. Als klassisches Schulbeispiel für solche und ähnliche Gedanken-
gänge darf immer wieder Hodler zitiert werden. Seine frühen bernischen Schilderungen setzen
unmittelbar die Bauernmalerei von Albert Anker fort, obwohl die beiden Künstler in keinem
direkten Zusammenhange zueinander stehen. Und ohne den in Genf niedergelassenen Bündner
Menn, der sich in der französischen Tradition nicht weniger gut auskannte als der Inser Bauern«
maier Anker, hängt Hodlers Landschaft völlig in der Luft, soweit sie sich auch von der gold«
tonigen Intimität der Schule Corot entfernt.
Es ist ein von allen berechtigten Interessen nicht zu verschleierndes Verdienst von G. 'SDL. Bollag
(Zürich), die Aufmerksamkeit des Kunstfreundes immer wieder auf die Reserven hinzulenken,
die die Schweiz auf künstlerischem Gebiet besitzt und dabei — neben Eigenem, neben Heimischem
wie dem Verwandten — dem Blick doch auch die Weite internationaler Qualitäten zu erschließen.
So wären im vorliegenden Zusammenhang Namen wie Cezanne, Renoir, Utrillo, Andre Derain
oder Picasso hervorzuheben,- ihnen gesellen sich aus älterer Zeit ein Nattier und der David«
Schüler Legrand bei. Die deutsche Kunst weist neben Werken der Münchener und Düsseldorfer
Schulen, wie dem großen Herrenbildnis Lenbachs, vor allem Hans Thomas «Hain der Egeria»,
den ergreifenden Kopf der «Sinnenden» von Wilhelm Lehmbruck, ein Landschaftsaquarell von
Leistikow und Zeichnungen von Menzel auf. Auch das flämische «Früchtestilleben», ein wahres
Kabinettstück der Tonmalerei, sei hier erwähnt.
Unter den Schweizer Meistern steht Hodler schon zahlenmäßig obenan. In seiner Serie reichen
die beiden Aquarelle zum «Rückzug von Marignano» und zur «Empfindung» am weitesten
zurück, während die lächelnde «Conchita» den Schlußpunkt setzt: ein Werk, das, wie der große