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Borchardt, Ludwig
Das Grabdenkmal des Königs S'aḥu-Re (Band 2,1): Die Wandbilder: Text — Leipzig, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3367#0018
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o Das Grabdenkmal des Königs S'a3hu-re', II: Die Wandbilder.

Wie das zustande kommen konnte, werden hoffentlich Spätere ergründen können, denen für
die Zeit zwischen diesen beiden Blüteperioden mehr Material zur Verfügung steht als uns heute.

Die Stoffe der Wandbilder des Totentempels. Wer die in den Kultkammern
der Gräber der fünften Dynastie vorkommenden Wandbilder kennt, kann sich daraus schon
selbst herleiten, welche Bilder wir in einem königlichen Totentempel derselben Zeit zu erwarten
haben. Da der Totentempel den Kultkammern der Gräber entspricht, so werden es dieselben
Darstellungen sein wie dort. Im ersten Bande haben wir aber gesehen, daß der Totentempel
in zwei Teile zerfällt, den „öffentlichen" und den „intimen" Tempel. Es ist also voraus-
zusetzen, daß wenigstens für den öffentlichen Teil auch noch Bilder hinzukommen, die auf
das öffentliche Leben des Königs Bezug haben, die also den Besuchern dieses Tempelteiles
etwas mehr von der Größe und dem Ruhme der Verstorbenen sagen, als was in den Szenen
des Privatlebens zum Ausdruck kommt, die wir in Kultkammern von Privatleuten finden.
Außerdem ist es um einen verstorbenen König doch etwas anderes wie um einen gewöhnlichen,
wenn auch noch so hoch stehenden Privatmann. Im Glauben jener Zeit ist er, wenn nicht
wirklich, so doch fast ein Gott, nach seinem Tode wird er bestimmt ein Gott, dem Ver-
ehrung in aller Form gebührt. Daß dies auch gewöhnlichen Sterblichen in dieser Zeit schon
zukommt, daß sie damals schon wie später mit dem Totengotte Osiris identifiziert wurden,
ist nicht der Fall. Dieser Unterschied in der Auffassung des toten Königs gegenüber der
eines gewöhnlichen Toten hat einen weiteren Unterschied in der Grabausstattung bedingt.

Aus diesen Erwägungen heraus hätten wir also dreierlei Arten von Bildern im Toten-
tempel zu erwarten: erstens die Bilder aus dem Privatleben des Königs, wie wir sie in jeder
Mastaba eines Privatmannes finden, seine Beschäftigungen, Vergnügungen, seinen Reichtum,
die ihm gebrachten Opfer usw. darstellend, zweitens die von seinem öffentlichen Leben, seinen
Siegen und Expeditionen und drittens die von seinem göttlichen Fortleben nach dem Tode,
seine Aufnahme unter die Götter und sein Verkehr mit ihnen.

Diese drei theoretisch als wahrscheinlich vorauszusetzenden Kategorien von Wand-
bildern finden sich nun auch wirklich in unserem Totentempel und sie scheinen auch ganz
so verteilt gewesen zu sein, wie man annehmen sollte — soweit man das aus den verhältnis-
mäßig wenigen lokalisierten Bildern schließen kann. Die Bilder des öffentlichen Lebens
des Königs, also die Darstellungen seiner Siege, scheinen auf die Räume des öffentlichen
Tempels beschränkt gewesen zu sein, den Torbau im Tale, den Aufgang, den Vorraum, den
östlichen und westlichen Umgangsarm und den Säulenhof. Die seines Privatlebens finden
wir in den nördlichen und südlichen Umgangsarmen, die allerdings, wenn auch als abgelegene,
dem großen Publikum kaum zugängliche Teile, noch zum öffentlichen Tempel zählen dürften.
Die Bilder des vergöttlichten Königs endlich befinden sich im Statuenraum, den man als
Allerheiligstes des öffentlichen Tempels ansehen darf, und im intimen Tempel.

Dieses Auftreten der beiden neuen Bilderkategorien, die den Totentempel vom Privat-
grab unterscheiden, ist für das Verständnis der Wandbilder in den Gräbern von Bedeutung.
Es ist nämlich die Theorie aufgestellt worden1, die Wandbilder hätten den mystischen Zweck,
dem Toten alles das zu verschaffen, was in ihnen dargestellt sei. Aus allgemeinen Gründen
ist diese Theorie zwar schon2 abgelehnt worden, hier haben wir aber jetzt Anhaltspunkte,

i) Maspero, L'archeologie egyptienne (1887) S. 118.

2) Erman, Die ägyptische Religion (1909) S. 137 Anm. 5.
 
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