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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0019
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EINLEITUNG

I. GEGENSTAND

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der christliche Altar.
Altar nennen wir dasjenige liturgische Gerät, auf und an dem sich die eucha-
ristische Feier vollzieht.

Daß es schon im christlichen Kult von Anfang an ein liturgisches Gerät
gab, auf dem die Feier der Eucharistie vollzogen wurde, ist zweifellos und
wird von niemand geleugnet. Dieselbe war in der Tat, wenn anders sie in
geziemender Weise vor sich gehen sollte, ohne ein solches nicht möglich. Die
Streitfragen, die sich an den Altar der erstchristlichen Zeit angeknüpft haben,
betreffen deshalb auch nicht sowohl die Existenz dieses liturgischen Gerätes
als vielmehr seinen liturgischen Charakter. War es ursprünglich lediglich
liturgischer Tisch, eucharistische Tafel, auf der der Bischof die Konsekration
des Brotes und Weines vornahm — wenn man nicht überhaupt eine solche
leugnet — und dann das eucharistische Brot und den eucharistischen Wein
zum Gedächtnis des Leidens Christi an die versammelten Gläubigen als Speise
austeilte? Oder hatte das Gerät schon gleich anfangs den Charakter eines
wirklichen i&vaiamrjQtov (altare), eines eigentlichen Altars, wie wir ihn aus
den alttestamentlichen und den heidnischen Kulten kennen, wenn auch das
auf ihm dargebrachte Opfer seiner Besonderheit nach sich tiefgreifend von
den jüdischen und heidnischen Opfern unterschied?

Nach protestantischer Anschauung hat die Sakramentsfeier nur den
Charakter eines Gedächtnismahles, selbst wenn man, auf dem Boden der Lehre
Luthers stehend, wenigstens für den Augenblick des Genusses des Sakramentes eine
wirkliche Gegenwart Christi in demselben annimmt. Sie ist nicht nur wesentlich, son-
dern auch ausschließlich „Herrnmahl". Ein Opfer im Sinne einer realen Darbringung
ist sie nicht, wie sie denn auch ursprünglich nicht als solches betrachtet wurde. Dieser
Opferbegriff drang erst später in die eucharistische Feier ein; er.ist weder von
Christus mit derselben verbunden worden, noch apostolisch. Es war eine Abkehr
von der reinen Glaubenshinterlage Christi, eine Verirrung, wenn man das „Herrn-
mahl" unter Einwirkung, sei es des alttestamentlichen, sei es des heidnischen Opfer-
kultus auch zu einem Opfer stempelte. Es ist klar, daß bei einer solchen Auffassung
der eucharistischen Feier der Altar unmöglich als das gelten kann, was das Wort
Altar nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch besagt. Denn ist dieselbe kein Opfer,
so kann natürlich der Altar auch keine Opferstätte sein. Er ist vielmehr nur die
mensa Domini, der Tisch des Herrn, an dem sich das Herrnmahl vollzieht. Daß
man in ihm auch einen Altar sah, begann erst, seitdem sich in nachapostolischer
Zeit der Irrtum vom Doppelcharakter der Eucharistie in die Kirchenlehre einschlich.
Vordem erblickte man in ihm lediglich einen Tisch. Wo daher bei den apostolischen
Vätern von einem Altar (övoiaorTJeior) die Rede ist, ist derselbe in übertragenem
Sinne zu deuten.

Braun, Der christliche Altar I. 1
 
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