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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0426
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408 Zweiter Abschnitt. Das altare fixum

Chorjoch einnahm, der Hochaltar aber in die Apsis hinaufrückte, hielt man an dem
alten Brauch fest, ihn freistehend zu errichten.

Freilich kam es schon in vorkarolingischer Zeit vor, daß man den Hochaltar der
Apsiswand oder der Abschlußmauer des Altarraumes dicht vorbaute. So geschah es
z. B. im 8. Jahrhundert in der Märtyrerbasilika (Tafel 37) und in der Basilika des
hl. Calionus zu Cimitile bei Nola, sowie in einigen altkeltischen Kirchen in Cornwallis,
wie in dem Oratorium des hl. Kyeran, des hl. Gwythian und des hl. Maddern, doch
war das in diesen und ähnlichen Fällen durch die Beschränktheit und Enge des
Raumes geboten. "Wo immer die Verhältnisse das gestatteten, erhielt der Hochaltar
eine isolierte Stellung. Selbst in Kirchen mit geradseitigem Chorabschluß, wie sie
in der Zeit der Gotik in England fast ständige Regel waren, aber auch anderswo, be-
sonders in Norddeutschland und im skandinavischen Norden damals häufig ent*
standen, wurde er mit Vorliebe frei im Altarraum aufgestellt und nur in kleinen
Kirchen dieser Art hart an die Abschluß wand gerückt. j j^ljj /, -i

Hinter dem Hochaltar einen wandartigen Hinterbau zu errichten und
diesem den Altar vorzustellen, wurde erst im späteren Mittelalter gebräuch-
lich. Veranlaßt wurde die Neuerung durch den Reliquienkult.

Reliquien auf den Altar zu stellen, war schon zur Karolingerzeit üblich, wenn
auch wohl noch nicht allgemein. Auch errichtete man schon damals im Franken-
lande bisweilen hinter dem Altare türm- oder grabmalartige Aufbauten zur Auf-
bewahrung der Reliquien, doch waren das noch keine Hinterbauten, an die der
Altar angelehnt worden wäre, sondern frei hinter diesem sich erhebende Anlagen.
Als man jedoch später die herrlichen großen Reliquienschreine schuf, die auf dem
Altar nicht aufgestellt werden konnten, fügte man diesem rückwärts in seiner ganzen
Breite ein mauerartiges Massiv an, um auf diesem statt auf der Mensa des Altares
die Schreine nebst den sonstigen Reliquiaren, die man besaß, aufzustellen. Indem man
das Massiv aber über die Mensa hinaus hinaufsteigen ließ, erzielte man zugleich den
Vorteil, daß die Schreine und Reliquiare weiter in die Kirche hinein sichtbar wurden,
als wenn man sie auf den Altar selbst gesetzt hätte. Besonders gebräuchlich wurde
diese Einrichtung in Frankreich und im Westen Deutschlands, der Heimat der großen
Reliquienschreine. Beispiele haben sich in Frankreich keine erhalten. Eine andere
Geschmacksrichtung sowie die von den Hugenotten und den Revolutionären des aus-
gehenden 18. Jahrhunderts angerichteten Verwüstungen haben sie beseitigt. In
Deutschland zeigen noch zwei Altäre vollständig die Einrichtung, der Hochaltar in
St. Ursula und in St. Severin zu Köln, zum Teil noch der Hochaltar in der Elisabeth-
kirche zu Marburg.

Einem Retabel, genauer dem Unterbau eines Retabels, wurde der Hoch-
altar inDeutschlandbisin das 16. Jahrhundert hinein nur ausnahms-
weise vorgestellt. Selbst die mächtigen, hochaufstrebenden Flügelretabeln,
welche die Spätgotik dort in so überaus großer Zahl schuf, standen der Regel
nach auf der Altarmensa und nur sehr selten auf einem besonderen Unter-
bau, dem der Altar vorgelegt war. Sogar die aus Stein gemachten Retabeln,
wie das großartige Retabel des Hochaltares der Martinskirche zu Landshut
(Abb. S. 341 und Tafel 361), erhoben sich gewöhnlich auf dem Altar selbst.

Häufiger mag es im späten Mittelalter in Italien und Frankreich vor-
gekommen sein, daß man das Retabel auf einem Unterbau anbrachte, dem man dann
den Altar anfügte. Oft geschah das im 15. und im beginnenden 16. Jahrhundert in
Spanien (Tafel 223). Doch errichtete man in solchen Fällen den Altar auch wohl,
und zwar keineswegs selten völlig freistehend in ziemlicher Entfernung vor dem
Unterbau des Retabels, wie z. B. in S. Feliü zu Gerona, in der Kathedrale zu Oviedo,
in der Stiftskirche zu Lequeitio, in der alten Kathedrale zu Salamanca, in der Käthe-
 
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