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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0461
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Zweites Kapitel. Gestalt, Größe und Weihekreuzehen des Tragaltares 443

Heinrich (f 1127) in Meßgewändern darstellt, das Rauchfaß in der Hand, beschäftigt,
den Kelch und die Patene mit der darauf befindlichen Hostie zu inzensieren. Die
Szene gibt die Inzensierung der Opfergaben nach dem Offertorium wieder". Die
Patene liegt oben auf dem Kelch, dieser aber steht auf einem Portatile von der
Art des vom Bischof gestifteten. Ist die Darstellung zuverlässig, so scheint man sich
auch wohl in der Weise beholfen zu haben, daß man die Hostie nicht auf das Portatile
selbst, sondern mit Hilfe der Patene oben auf den Kelch legte, so daß nur dieser
unmittelbar auf dem Stein stand, die Patene mit der Hostie dagegen bloß mittelbar.
Der mit einer Altardecke verhüllte altarartige Unterbau, auf dem das Portatile steht,
stellt natürlich einen unkonsekrierten Altar dar. Wenn der Künstler unter dem
Kelch das Korporale wegließ, so tat er das wohl, weil er das Portatile zeigen
wollte, diese aber durch das Korporale verdeckt worden wäre (Tafel 89).

III. WEIHEKREUZCHEN AUF DEN PORTATILIEN
Weihekreuzehen auf den Portatilien anzubringen, war im Mittel-
alter sehr wenig gebräuchlich. Niemals finden wir solche erwähnt, weder bei
den Liturgikern, noch in den Pontifikalien und den andern liturgischen
Büchern, noch in den Synodalstatuten, noch sonstwo. Von den zahlreichen
mittelalterlichen Portatilien, die sich in Deutschland erhalten haben,
zeigen nur ein paar die Weihekreuzehen, und selbst diese gehören erst dem
15. Jahrhundert an. Es muß das um so mehr auffallen, als gerade in Deutsch-
land die Gepflogenheit, das altare fixum mit solchen zu versehen, im späteren
Mittelalter so weit verbreitet war.

Das älteste bekannte Beispiel entstammt dem Beginn des 15. Jahrhunderts. Es
ist das Portatile vom Jahre 1417 im Dommuseum zu Augsburg. Die fünf Kreuzchen sind
einem Vierpaßjeingeschrieben. Zwi-
schen den Kreuzchen an den Ecken
steht in gotischen Majuskeln an|den
längeren Seiten Agnus Dei, an den
kürzeren JN bzw. RI. Im Mittel-
feld der Oberseite ist, geschieden
durch den Vierpaß, der das mittlere
Kreuzchen umrahmt, das Datum
14—17 eingraviert. Ein 80 Jahre
jüngeres Beispiel ist das Portatile
von 1497 im gleichen Museum
(Tafel 76). Die Kreuzchen stehen
hier in einem Kreise und zeigen
m den Winkeln zwischen den
Armen Strahlen. Das mittlere ist
etwas nach vorn gerückt, da über
ihm ein Bild des Heilandes an der
Geißelsäule eingraviert ist

In England gibt es ein spätmittelalterliches mit Weihekreuzehen versehenes
Portatile in der Kirche zu Beckermet (Cumberland). Es wurde in den Ruinen der
Zisterzienserabtei Calder gefunden und besteht aus einer Platte roten Sandsteins von
25.3 cm Breite, 19 cm Tiefe und 1,9 cm Dicke. In den Ecken und in der Mitte ist ein
gleicharmiges Kreuzchen eingehauen. Die Holzfassung ist verlorengegangen1.

Tragaltar mit Weihekreuzehen. Augsburg, Dommuseum

Abb. auch bei J. Braun, Meisterwerke der
eutschen Goldschmiedekunst der vorgotischen
"it (München) 1922), I, Tfl. 39.

1 The Journal of the British Archaeological
Association, new series III (London 1897) 55.
 
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