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Brinckmann, Justus; Weimar, Wilhelm [Hrsg.]; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg [Hrsg.]
Beschreibung des europäischen Porzellans und Steingutes: mit geschichtlichen Einleitungen ; mit 28 Abbildungen von Gegenständen der Sammlung — Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.53037#0121
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Das rothe Steinzeug im 18. Jahrhundert. Plaue. Bayreuth.

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ein im Jahre 17’13 aus Meissen entflohener Arbeiter Böttger’s, Samuel
Kempe, das Geheimniss der rothen Waare gebracht, zu deren Her-
stellung der Minister von Gör ne, der Erbauer des dortigen Schlosses,
eine Fabrik einrichtete. Schon 1715 konnte diese mit ihrer rothen Waare
die Leipziger Michaelismesse beschicken. Heber die Erzeugnisse der
Plaue'sch en Manufactur in ihren ersten Jahren liegt zunächst die Aussage
des Dresdener Töpfers Mehlhorn vor, welchen Böttger im April 17'15
gegen eidliches Versprechen baldiger Rückkehr als Spion nach Plaue
geschickt hatte. Nach nur viertägigem Aufenthalt entwich Mehlhorn, um
seinem Herrn zu berichten, die rothe Masse und die Oefen in Plaue seien
gut, nur fehle die schwarze Glasur und das weisse Porzellan. Im Wider-
spruch hiemit stehen anderweitige Nachrichten, welche von ansehnlichem
Betrieb in Plaue melden. Danach wurden unter der Direction von David
Pennewitz 34 Arbeiter beschäftigt, welche aus „braunem und schwar-
zem Porzellan“ Gefässe und Figuren herstellten, matte und glänzende, mit
Reliefs und Schnitt verzierte, mit Farben und Gold bemalte — dem
Aeusseren nach eine der Böttger’schen ganz ähnliche Waare. Man hat
daher die Vermuthung ausgesprochen, Mehlhorn habe eine Doppelrolle
gespielt, nicht nur seinem Auftraggeber falsch berichtet, sondern vielleicht
gar der Plauer Fabrik das Geheimniss des weissen Porzellans verrathen,
da die Arbeiter derselben 1716 auf dieses Geheimniss vereidigt wurden,
und ein „blaulichtes Porzellan“ als eine Specialität Plaues erwähnt wird.
Für die Leistungsfähigkeit Plaues um diese Zeit spricht auch, dass Peter
der Grosse sie i. J. 1716 besuchte und ein Service in brauner Masse
mit seinem Wappen in Gold bestellte. Nach Pennewitz’ Austritt 1720
scheint die Fabrik gesunken zu sein; 1729 hat sie zum letzten Mal die
Leipziger Messe beschickt; 1730 ist sie eingegangen. Von all’ ihren
Erzeugnissen ist kein einziges Stück heute mit Sicherheit nachweisbar. Der
Ruhm Böttger’s hat ihre Verdienste verschlungen.
Selbst wenn man ohne weitere Beweise einen Theil der weniger
harten, vor 1730 entstandenen rothen Waare mit schwarzer Glasur und
Goldmalerei nach Plaue verweisen wollte, blieben dadurch doch die Stücke
mit jüngeren Jahrzahlen unerklärt. Sehen wir uns nach einer Erklärung
für dieselben um, so stossen wir auf eine andere Spur desselben Kempe,
welcher die rothe Waare in Plaue eingeführt hatte.
Dieser Samuel Kempe wurde wegen seiner Kränklichkeit bald
wieder aus Plaue entlassen und ging — so berichtet Engelhardt in seiner
1837 auf Grund urkundlicher Quellen verfassten Biographie Böttger’s —
nach Bayreuth, wohin er durch Domestiken der Königin Christine, einer
Tochter des Markgrafen, Empfehlungen sich zu verschaffen gewusst hatte.
Er richtete dort auf markgräfliche Kosten eine Fabrik braunen Por-
zellans ein, entwich aber bald wieder unter Entwendung verschiedener
Sachen, ward eingeholt und zeitlebens auf der Feste Culmbach gefangen
gehalten, damit er, wie der Markgraf sagte, Niemanden mehr betrügen könne.
Weiter reichen die urkundlichen Nachrichten bis jetzt nicht. Dass
Kempe sich auf die Herstellung des „braunen Porzellans“ verstand, hat er
in Plaue bewiesen, und wir stehen nicht an, zu vermuthen, dass aus
der von ihm in Bayreuth eingerichteten Fabrik die Mehrzahl der nicht
in Meissen oder Plaue angefertigten „rothen und braunen Porzellane“ mit
eingebrannter Vergoldung oder Versilberung hervorgegangen ist. Die reichsten

Im zehnten
Zimmer.
(Fünftes der
Südseite.)
 
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