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Brinckmann, Albert Gideon
Die praktische Bedeutung der Ornamentstiche für die deutsche Frührenaissance — Heidelberg, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.68590#0062
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damit sein aus Dolchscheiden und steigenden Füllungen be-
stehendes Stichwerk festgelegt ist.1 Bei nachweisbaren Be-
ziehungen zu Aldegreverschen Ornamentstichen ist aber Alde-
grever entschieden der empfangende Teil; und durch die Ent-
lehnungen Aldegrevers, z. B. in seiner Dolchscheide B. 248 von
1532 nach B. X, p. 160 N. 39, ist die Datierung der Stiche des
Anonymus für die Zeit um 1530 gesichert. Aldegrever über-
nimmt die Rumpfgestalt mit den Fledermausflügeln, die aus der
Muschel aufsteigenden Hälse mit Blattgesichtern, sowie den
Raubtierkopf. Bei B. 273 vom Jahre 1549 verwendet Aldegrever
wiederum die Muschel mit dem Tierkopf und entnimmt dem
Stich Passavant 251 des Anonymus die weibliche Groteske links
unten. Fernere Beziehungen finden sich bei Aldegrever B. 251
und B. 240.
Von seinen uns bekannt gewordenen Ornamentstichen ließen
sich in zwei Fällen wichtige Benutzungsnachweise erbringen.
Wiederum kommen wir mit einem für die deutsche Früh-
renaissance besonders hervorragenden Bauwerk in Berührung,
nämlich mit dem Rathaus in Görlitz, das von 1519 an im
Stile der neuen Renaissance ausgebaut wurde. «Eine der edel-
sten Blüten der Renaissance» nennt Lübke2 diese hinzugefügten
Renaissanceteile, und über die Rathaustreppe3 lautet sein Ur-
teil : «Die ganze Komposition findet in Schönheit der Aus-
führung und Anmut der Ornamentik unter den gleichzeitigen
Denkmalen Deutschlands kaum ihresgleichen.» In einem vor-
springenden Winkel zwischen Brüderstraße und Untermarkt be-
legen, windet sich um eine Säule die Treppe zum Hauptportal
und zugleich zu einem Balkonausbau hinauf, an dessen Brüstung
man die Jahreszahl 1537 liest.4 Die Beteiligung des bekannten
Wendelin Roßkopf ist sehr wahrscheinlich, obwohl weder ur-

1 Auch gehört ihm noch ein unbeschriebener Querfries an (Bremen,
Dresden. London South-Kensington). Siehe Lichtwark, a. a. 0., S. 210.
2 Lübke, a. a. 0., Bd. II. S. 204.
3 Aufnahmen bei Ortwein, Bd. VI. (Breslau und schlesische Orte).
Bl. 51 u. 52.
4 Der Treppenwinkel vielfach abgebildet. — Puttrich: Bauwerke des
Mittelalters in der Oberlausitz (1848) T. 7. — Lübke, a. a. 0., Fig. 295. —
Dohme, Deutsche Baukunst, Fig. 250. — Bilderwerk schlesischer Kunst-
denkmäler. Mappe II. Taf. 93, 1, u. a. m.
 
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