Europa als geistig-sittliches Problem
—- und seit der Mayflower-Landung ist sie bis nach Amerika ge-
drungen in ständig wachsendem Strom. Auch sie ist, wie jede
frühere Gemeinschaft es war und ist, bedroht durch Gegenkräfte,
bedroht durch innere Selbstauflösung im Absterben ihrer Ideen
und Ideologien.
So stellt schon das von Napoleon nationalistisch aufgeputschte
19. Jahrhundert eine mörderische Reaktion gegen die Gemein-
schaft des Europäischen dar. Die warnenden Rufe zum „einigen
Europa“ in unserer Gegenwart, mögen sie von Coudenhove-
Kalergi, von Winston Churchill oder Spaak ausgehen, sind wirt-
schaftlich-politische, wohl auch militärische Signale, künden je-
doch noch keine geistig-psychische Erneuerung an. Diese aber ist
Voraussetzung eines echten Europa.
Die Not des Europäischen, doch auch den Glauben an das Euro-
päische habe ich 1948 in einem Büchlein „Europageist und
Europäer“ analysiert, dessen Umfang absichtlich in umgekehrter
Proportion zur Riesenhaftigkeit des Themas steht. Hier heißt
es: „Man wird als Deutscher, Engländer, Franzose geboren —
zum Europäer muß man sich erziehen“; und weiter: „Europa ist
ein geistig-sittliches Problem P Nicht einzig Organisationen, nicht
einmal die Kirche allein, vermögen Europa zu gestalten und zu
retten, wenn eine geistige Bereitschaft des wahren Europäers
fehlt. Das übersehen leider viele Parteiführer, Politiker und alle
Militärs.
Das Werden dieser dritten Gemeinschaft im Geistigen, das Werden
des Europäischen, war ein sehr langsamer Prozeß. Wie die Kom-
ponenten der griechischen Antike weit ins vorantike Altertum
hineinreichen, wie das Christentum seine Wurzeln im Judentum
und Hellenismus hat, so greift auch das Europäische mit seinen
Anfängen weit zurück. Die Griechen sind hier recht eigentlich
Begründer, ohne schon das Europäische zu schaffen. Dann aber
kommt ein Augenblick, wo es sich in neuer Eigenständigkeit
herauslöst und von nun an viele besondere, nur ihm zugehörige
Eigenschaften entfaltet.
10
—- und seit der Mayflower-Landung ist sie bis nach Amerika ge-
drungen in ständig wachsendem Strom. Auch sie ist, wie jede
frühere Gemeinschaft es war und ist, bedroht durch Gegenkräfte,
bedroht durch innere Selbstauflösung im Absterben ihrer Ideen
und Ideologien.
So stellt schon das von Napoleon nationalistisch aufgeputschte
19. Jahrhundert eine mörderische Reaktion gegen die Gemein-
schaft des Europäischen dar. Die warnenden Rufe zum „einigen
Europa“ in unserer Gegenwart, mögen sie von Coudenhove-
Kalergi, von Winston Churchill oder Spaak ausgehen, sind wirt-
schaftlich-politische, wohl auch militärische Signale, künden je-
doch noch keine geistig-psychische Erneuerung an. Diese aber ist
Voraussetzung eines echten Europa.
Die Not des Europäischen, doch auch den Glauben an das Euro-
päische habe ich 1948 in einem Büchlein „Europageist und
Europäer“ analysiert, dessen Umfang absichtlich in umgekehrter
Proportion zur Riesenhaftigkeit des Themas steht. Hier heißt
es: „Man wird als Deutscher, Engländer, Franzose geboren —
zum Europäer muß man sich erziehen“; und weiter: „Europa ist
ein geistig-sittliches Problem P Nicht einzig Organisationen, nicht
einmal die Kirche allein, vermögen Europa zu gestalten und zu
retten, wenn eine geistige Bereitschaft des wahren Europäers
fehlt. Das übersehen leider viele Parteiführer, Politiker und alle
Militärs.
Das Werden dieser dritten Gemeinschaft im Geistigen, das Werden
des Europäischen, war ein sehr langsamer Prozeß. Wie die Kom-
ponenten der griechischen Antike weit ins vorantike Altertum
hineinreichen, wie das Christentum seine Wurzeln im Judentum
und Hellenismus hat, so greift auch das Europäische mit seinen
Anfängen weit zurück. Die Griechen sind hier recht eigentlich
Begründer, ohne schon das Europäische zu schaffen. Dann aber
kommt ein Augenblick, wo es sich in neuer Eigenständigkeit
herauslöst und von nun an viele besondere, nur ihm zugehörige
Eigenschaften entfaltet.
10