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Bröndsted, Peter Oluf
Reisen und Untersuchungen in Griechenland: nebst der Darstellung und Erklärung vieler neu entdeckter Denkmäler griechischen Styls, und einer kritischen Übersicht aller Unternehmingen dieser Art, von Pausanias bis auf unsere Zeit (Band 1) — Paris, 1826

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https://doi.org/10.11588/diglit.680#0012
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■■■

x VORREDE.

ausgestattet, waren dennoch seine moralische Würde und die Kraft seines
Charakters grösser als seine Geistesgaben. Zu einer unerschütterlichen Ge-
rechtigkeit und Reinheit der Gesinnung gesellte sich in ihm eine Beharrlich-
keit des Willens, die äusserst selten ist, zumal bei einem nicht sehr kräftigen
Körper und bei schwankender Gesundheit. Sein klarer Verstand zeigte ihm
schnell in jedweder Sache den Weg, den er einzuschlagen hatte, und diesen
einmal eingesehen, verfolgte er mit alles besiegender Festigkeit des Vorsatzes
und mit grosser Energie.

An dem Umgange und dem Beispiele dieses Jünglings stählten sich mein
Fleiss und mein Gemüth; ihn erfreuten einige Anlagen, die mir gegeben
waren. Von Erfahrung und Klarheit hatten wir beide, als junge Menschen,
nur noch wenig; aber durch unser tägliches Zusammenseyn und nie unter-
brochenes Studium des Griechischen steigerte sich allmählig, bis zu einem
gewissen Grade der Klarheit, der oft besprochene, doch mehr gefühlte als
verstandene Gedanke von dem Nutzen, ja der Nothwendigkeit Griechenland
durch eigne Ansicht kennen zulernen; und der Wunsch das Land zu besuchen,
wo jene Herrlichen gelebt, gewirkt und gedichtet hatten, ward fester Ent-
schluss. Wir hofften, dass uns dort ein ganz neues Licht aufgehen würde (was
hofft man nicht alles in der fröhlichen Jugend!); wir versprachen uns von den
täglichen Erfahrungen in jenem Lande vielfache Freude und Belehrung, und,
durch ernsthaftere, dort anzustellende Untersuchungen, über Vieles, ganz
oder halb im Dunkeln gebliebene, mancherlei Aufschlüsse. In dieser Hinsicht
wenigstens hatten wir uns nicht betrogen.

Der Entschluss, nach einigen in Frankreich und Italien auszuführenden Stu-
dien, die uns nothwendig schienen (und in der That noch nothwendiger waren,
als sie uns schienen), nach Griechenland gehen zu wollen, hatte auf uns beide,
aber besonders auf mich, dessen Fleiss und Treiben unstäter und weniger gere-
gelt war, einen grossen Einfluss. Alle Begeisterung, selbst für ein Unbewusstes
oder Halbdunkles, beschränkt das Gemüth, weil sie Liebe ist — und die Liebe
ist abschliessend. Die Natur will aber diese Beschränkung, weil selbige, bei dem
eingeschränkten Maasse individueller Kraft und Fälligkeit, ein starker Hebel
der Ordnung, des Wirkens und der Hervorbringung wird. Dieses gilt nicht nur
in der geistigen, sondern eben so sehr in der physischen oder materiellen Welt;
und so wie in diesem die Liebe das Individ für seine Beschränkung durch
Zufriedenheit und Glück und Frucht entschädigt, so giebt, in der geistigen
Welt, die Sehnsucht nach einem geAvissen Ziele, welche ich Begeisterung oder
Liebe nenne, dem wissbegierigen aber unruhigen Jüngling, indem sie ihn be-
schränkt, ein besonneneres Streben und einen stäteren Fleiss. Denn wo wahre
 
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