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Bruhns, Leo
Deutsche Barockbildhauer — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 85-87: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.61074#0008
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ein lodernder Blitz stößt der Engel auf Satan herab und
schleudert rechts und links die Putten zur Seite. Nicht
ein schöner Zustand wird dargestellt, sondern ein jäher
Vorgang. Und vor allem: die Gruppe fügt sich vortreff-
lich in den großen Zusammenhang der Architektur, in
dieses Gedränge von gehäuften Pilastern, verkröpften
Gebälken, gebrochenen G iebeln, emporgepreßten V oluten.
Ihr ist zum erstenmal in Deutschland jene echt barocke
Aufgabe zugemutet, die Feulner an den Hochaltären des
frühen 18. Jahrhunderts hervorgehoben hat: „die Span-
nung der Architektur zur Entladung zu bringen“. Sie
hat, mit anderen Worten, aufgehört, ein schön in sich ge-
schlossener Mikrokosmos zu sein, sondern ist der Teil
einer höheren Einheit geworden, und zwar ein arbeiten-
des Glied, das durch seine expansive Energie jene höhere
Einheit entstehen, uns ein Werden in Kraftentfaltung
und Kampf miterleben läßt.
Im Jahre ihrer Vollendung oder vielleicht ein Jahr
später entstand im fernen Bückeburg, von Eckbert
Wolff d. J. geschnitzt, der schöne Hochaltar der
Schloßkirche, der ebenfalls einer Gesamtdekoration
als Vorsprecher dient (Abb. 4). In Körpertypus und Ge-
wandanordnung stehen die beiden lebensgroßen Engel,
die knieend den Altartisch tragen, Hubert Gerhard zwar
noch näher als Reichel, aber die zugleich malerische wie
pathetische Zerklüftung ihrer Gestalten geht über alles
hinaus, was im Kreise der manieristischen Niederländer
möglich war. Das entscheidende Wort hat nicht mehr
die schöne Linie, sondern der Gegensatz von Licht und
Schatten, der sich besonders unter dem zerknitterten
Tuch, das beide Engel gemeinsam halten, zu entwickeln
vermag, aber auch unter den schweren Locken, die bei-
den Lichtträgern in Stirn und Schläfen hängen. Und
dieser Gegensatz von hell und dunkel ist nicht so sehr
dekorativ als schillerndes Spiel gedacht, sondern weit
mehr als Aus drucks mittel empfunden. Denn die Span-

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