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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0454

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Jakob Cornelisz gestanden haben mag, zu denken^) -
Die Komposition des Ölbergs ist weit altertüm-
licher. Man könnte an einen Schüler denken, der
der Entwicklung des Meisters nicht gefolgt sei.
Doch scheinen die Zusammenhänge mit den Wer-
ken Dauchers im einzelnen zu eng zu sein, um diese
Annahme zu empfehlen. Es bleibt mindestens die
Möglichkeit bestehen, daß wir es mit einem Werke
zu tun haben, das vor den Arbeiten in St. Anna,
noch im ersten Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts
entstanden, nur in Details (die komplizierte Hal-
tung Petri) auf eine künftige Rezeption der Dürer -
sclien Formen weit vorbereitet.
So könnte, wenn sich die Hypothese dieser Zu-
schreibung bewährt, durch den Stil des Ölberg-
reliefs allmählich der Ulick auf noch unerkannte
Jugendwerke Dauchers gelenkt werden, die er um
und vor 1500 geschallen hat, vor dem Eindringen
der ,Renaissance" in seine Kunst.
II.
Mit größerer Sicherheit glaube ich ein anderes,
bedeutenderes Werk für Adolf Daucher in An-
spruch nehmen zu können, die etwa 75 cm hohe
vollrunde Sandsteinfigur eines jugendlichen Jo-
hannes im Victoria und Albert-Museum in Lon-
don (Abb. 317 u. 318)")- Die Gestalt muß einst zu
einer Kreuzigungsgruppe gebürt haben. Das Wap-
pen zu ihren Füßen ist das der Lamparter von
Greilfenstein, eines aus Riberach stammenden Ge-
schlechtes, das im ersten Viertel des XVI. Jahrhun-
derts einigen Einfluß in Süddeutschland besaß und
auch mit Augsburger Familien in enger Fühlung
stamP)-Vielleicht wird sich der ursprünglicheAuf-
P Inv. Nr. 49, 1864.

stellungsort der Gruppe durch die Lokalforschung
ermitteln lassen.
Um Freiliguren zum Stilvergleich hcranzuzichen,
muß man sich an die Gestalten der Beweinungs-
gruppe in St. Anna halten (Abb. 320). Doch zunächst
fallen die Verschiedenheiten auf: an den Augsbur-
ger Figuren ist die Formensprache unmittelbarer
von italienischem Geiste getränkt. ,,Vorbilder" lie-
ßen sich nicht ermitteln; doch nur aus der freien
Einfühlung in dieantikisierende Kunst Oberitaliens
konnte diese eindrucksvolle Monumentalität er-
wachsen. Nichts ist kopiert, alles dem fremden Idiom
in fruchtbarer Prägung nachgeschatfen. Um den
Stil Dauchers, des Meisters der Chorgestühlbüsten,
zu fassen, muß man sich an Einzelheiten halten,
denn im Wurf erkennt man ihn nicht wieder. Er
hat das Wesentliche der antikischen Kunst erfaßt,
ihr Kürpergefühl: aus knittrigen Gewändern heben
sich nun die Glieder und in fast unbeholfener
Klarheit wird aus dem Standmotiv die Körper-
haltung abgeleitet; gelegentlich — an der Maria
und an dem schreitenden Engel merkt man die
Mühe.
Von diesem Stilgefühl ist an der Londoner Statue
kaum etwas zu finden. Die Größe der Gesinnung
wirkt unmittelbar verwandt, doch die Ausdrucks-
mittel sind verschieden. Das tiefe Pathos der Geste
ist in der Faltenbewegung sicher vorbereitet und
durch die Kopfwendung gesteigert. Was an der
Augsburger Gruppe demonstrativer Italianismus
war, fehlt hier; am deutlichsten in der Faltenfüh-
rung, die zwar großzügiger aber auch erregter,
man möchte sagen ,,gotischer" ist.
Diese Verschiedenheit aber wird aus der Entwick-
lung des Künstlers verständlich. Der Altar, der in
den Jahren 1518—22 für die Kirche in Annaberg
in Sachsen gearbeitet wurde und urkundlich als
Werk Adolf Dauchers gesichert ist, trägt zwischen
Säulen und antikem Gebälk einen Stammbaum
Jesse, dessen ausfahrende Aste die Rahmenfelder
zu sprengen scheinen. Aus dem spätgotischen Wur-

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