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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0490

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die hochgotische Basilika wird zur spätgotischen
Halle umgestaltet, ln Schwähisch-Gmünd ist be-
reits um 1336 ein großer Teil der Fassade und 1351
das ganze Langhaus aufgeführt. Für die Aushil
düng des kämpferlosen Pfeilers ist besonders Reut-
lingen wichtig. I)a um 1310 etwa die Portalhöhe
des Westbaues erreicht wurde (SeckerJ, ist anzu-
nehmen, daß um diese Zeit schon Teile der Um-
fassungswände und der Pfeiler des Langhauses
standen. Nun linden sich in der Arkatur unter den
Langhausfenstern die Vereinigung von kämpfer-
losen Rundpfeilern mit einfach hochgekehlten Bo-
gen (vgl. Krautheimer S.23) und dieentwicklungs-
geschichtliche Vorstufe an den Langhauspfeilern:
An der Arkadenseite der Pfeiler wachsen die Dienste
durch die Kämpferplatte hindurch, um sich in den
Bogenkehlungen zu verlaufen. Diese Einleitung
der Kämpferentwertung steigert sich in der von
Reutlingen abhängigen Stadtkirche St. Martin zu
Neuffen (vgl. Krautheimer S. 65) zu kämpferlosen
Arkadenrundpfeilern, an die einfach hohlgekehlte
Arkaden verschneiden. Eine Einwirkung von Bet-
telorden ist nicht notwendigerweise anzunehmen,
es erscheint wahrscheinlicher, daß sich die Orden
der allgemeinen Bautätigkeit anschlossen. Dabei
bleibt es für ihre unentschiedene Einstellung
typisch, daß sie sich nur in den allerseltensten
Fällen entschließen konnten, die damals in ihrer
Umgehung aufkeimende Hallenbildung des Kir-
chenraumes in ihr Bauprogramm aufzunehmen,
sondern lieber hei der unklaren Zwischenform
einer Basilika mit sehr hohen Seitenschilfen stehen
blieben. Eine Abhängigkeit der Freiburger Fran-
ziskanerkirche von dem Reutlinger Schulkreis
würde auch die ,,Umwandlung der rückständigen
Würzburger Kirche (Franziskaner, 1250—SO), wel-
che die Gruppe einleitet, in den äußerst fortge-
schrittenen Typ von Freiburg, der als Nächstes
folgt", ohne Zwang erklären. Die Bedeutung der
frühen schwäbischen Gotik für Süddeutschland
kann ein Beispiel wie die .lohanneskirche in Frei-

sing (1319—21) erweisen, da hier die Maßwerk
formen nicht ohne westlichen Einfluß zu denken
sind. Die Richtung dieser Auswirkung würde sich
mit der Beobachtung Krautheimers decken, daß in
der Pilsener FranziskanerkircheEinflüsse des Frei-
burger Typ zu vermuten sind.
Wenn also ein Einfluß der Bettelordenskirchen auf
die Entwicklung der hochgotischen zur spät-
gotischen Architektur im allgemeinen nicht fest-
gestellt werden kann, so wäre noch nachzuprüfen,
wie die Bettelorden auf dem Einzelgebiet der west-
fälischen Hallenkirche gewirkt haben, da sie nach
Krautheimer durch Übertragung des schmalen
Joches aus Hessen der Bautätigkeit Westfalens das
Tor zur spätgotischen Raumgestaltung geölfnet
haben. In Westfalen hatte man im Laufe der Ent-
wicklung den Aufbau der Hallenkirche in reiner
romanischer Addition gewonnen: man fügte eine
Anzahl gleichberechtigter quadratischer Gewölbe-
felder zusammen, deren Trennung voneinander
durch breite Gurte und eine kuppelartige Gewölbe-
bildung augenfällig betont wurde. Eine Änderung
bringt die erste Kirche der Bettelorden: Münster,
ehemalige Minoritenkirche, durch die Verwertung
des schmalen Joches, in dem ein querohlonges Mit-
telfeld im Verhältnis 1:2 von kleinen quadratischen
Feldern in den Seitenschilfen begleitet wird. Da
nun ein querohlonges Feld stets der Ergänzung
durch ein angrenzendes bedarf und hiermit wenig-
stens die Gewölbe des Mittelschilfes in einen ein-
heitlichen Fluß zusammengezogen werden, tritt
dieser Aufbau scheinbar verbindend zwischen die
additive romanische und die divise spätgotische
Halle. Dem muß aber entgegengehalten werden,
daß in die Entwicklung der westfälischen Archi-
tektur auf dem Wege: Paderborn, Dom, um 1250
— Minden, Dom, um 1270 — Soest, Maria zur
Wiese, 2. Viertel des 14. Jahrhunderts, sich die
Raumgestaltung mit dem schmalen Joch nicht ein-
schieben läßt, da sich der Fortschritt zum einheit-
lichen Raum der Wiesenkirche stets auf dem glei-

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