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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Gefeierte Pers.]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0109
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und Gestückten, allerdings auch einer intensiven, fast erregenden Gespanntheit. Im Kontrast zu der
ätzend scharfen Formgebung — die knochigen, ausgemergelten Finger haben etwas Macabres — ist der
Klang der fein und zurückhaltend harmonisierten Farben (Silbergrau, samtiges Schwarz, morbides
Graurosa, gedämpftes Gold) von eigenem, diskretem Reiz. Wie die Spinnenfinger den großen Zirkel um-
greifen, das verrät den Willen zur momentanen Geste, aber sie erstarrt zur gläsernen Grimasse. Die
Tracht ist von schlichter Vornehmheit. Graue Schaube mit dunklem Pelzkragen, schwarzes Wams, steile
Kegelhaube aus mausgrauem Pelz. Eigentümlich gegensätzlich steht das lange, sehr gepflegte Flaar mit
den säuberlich ziselierten Löckchen neben dem knochigen, mit starken Schattenschlägen modellierten Ge-
sicht des hageren Baumeisters. Wie mit dem Hohleisen sind die markanten Ärmelfalten herausgeholt.

Die Wortfragmente der späten, nach dem Schriftcharakter kaum vor 1800 aufgemalten Inschrift auf

der Tafelrückseite: ... meister ... ankofer.ss.. ch (Halssbach) weisen mit Bestimmtheit auf den

Baumeister der Münchner Frauenkirche, Jörg Ganghofer von Halsbach, hin, jedoch bezeugt schon das
Vorkommen des erst im 18. Jahrhundert auftauchenden, urkundlich nicht verbürgten Familiennamens
Ganghofer, daß der Maler der Inschrifl nicht auf einer alten Quelle fußt. Der physiognomische Ver-
gleich des Basler Konterfeis mit dem Bildnis des greisen Jörg von Polling, alias Jörg von Halsbach in
der Münchner Frauenkirche (Abb. 116) macht es nun in der Tat höchstwahrscheinlich, daß auf beiden
Tafeln die gleiche Persönlichkeit dargestellt ist. Wenn wir den großen Zeitunterschied von etwa 20 bis
25 Jahren, die unterschiedliche Lichtführung und die ganz verschieden gearteten Künstlerindividuali-
täten einkalkulieren, so ergeben sich auffallende Verwandtschaftszüge, wie der gebuckelte Wangenkontur
mit der Ausbuchtung in Mundhöhe, das Intervall zwischen Nase und Mund, das nur durch die alters-
gegebene Senkung der Nase beim Münchner Kopf kleiner erscheint, der Mund selbst mit den charakte-
ristischen Grübchen an den Winkeln, die allgemeine Form der Nase, die Kerbe im festen Kinn. Daß
die Lockenpracht geschwunden, die Augenlider sich gesenkt haben, der Hals von Falten gefurcht ist,
— das ist eben der Tribut, den das Antlitz der Zeit gezollt hat. Hans Buchheit hält die Identität der
beiden Dargestellten für sicher. Jörg von Halsbach starb 1488 in patriarchalischem Alter. Erneuert er
doch schon 1441 Kreuzgang und Chor in Kloster Ettal, kommt dann im Dienst der Bayernherzoge hoch,
die 1461 in einer Landsberger Gerichtssache für ihn eintreten. Am 20. März 1468 tritt er mit zwei Pfund
Pfennigen Quatembergeld in den Dienst der Stadt München. Um diese Zeit ist das Bild gemalt. Dafür
spricht der Stil der Tafel. Sicher nicht von Jan Polack, der erst viel später in München aufkreuzt, auch
nicht von demTiroler „Meister derHabsburger“, sondern von einem in denNiederlanden geschultenMünch-
ner Generationsgenossen Gabriel Mäleßkirchers. Eine strenge und eigenwillige Malerpersönlichkeit, von
der leider bis jetzt kein zweites Werk aufgetaucht oder erkannt ist.

110. MEISTER DES MORNAUER-BILDNISSES, Bildnis des Landshuter Stadtschreibers Alexander
Mornauer.

Wie unrecht man der deutschen Bildnismalerei des 15. Jahrhunderts ofl tat, wenn man sie nur als
tastenden Beginn wertete, beweist mit aller Macht das markige und kernhafte Konterfei des Lands-
huter Stadtschreibers Alexander Mornauer (englischer Privatbesitz; Abb. 109). Fast in Vorderansicht ist
das wuchtig breite, wie aus Erz gegossene Brustbild in das vergleichsweise gelagerte Bildfeld gefügt. Vor
grünlichblauem Grund das ernste Schwarz des schlicht-vornehmen Gewandes. Trotz der mit unerhörter
plastischerEnergie durchgeformtenHände, von denen die rechte den zusammengefalteten, steifen Brief mit
der Adresse hält, dominiert das wie ein erratischer Block auf den breiten Schultern und dem festen Hals

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