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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Gefeierte Pers.]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0125
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ein Urteil möglich erscheint, darf Tirol als die Heimat der Frau mit den Früchten, die nicht lange vor
1500 gemalt sein mag, und des Mannes mit der sprechenden Linken gelten.

135. TIROLER (?) MEISTER VOM ENDE DES 15. JAHRHUNDERTS, Bildnis eines lachenden
Mannes mit Weinglas.

Eine burleske Note bringt das kleine Täflein mit dem buntgekleideten Mann, der ein Stangenglas
emporhält, in das ernste Corpus der Bildnisse (Abb. 135). Der kecke und derbe Versuch, Bildnis und Sitten-
bild zu vereinen, verdient trotz der Rauheit der Formgebung Beachtung. Das beabsichtigte Lachen ist aller-
dings zur Grimasse erstarrt. Knapp und raumlos ist der bunte „Kavalier“ vor dunklem Grund in
den Rahmen gepackt. Das aufgesteckte Barett mit vier Agraffen, Schleifen und einer breiten, weißen
Feder sitzt tief und schräg in der Stirn. Geschlitzte Augen, in den Himmel strebende Spitznase, im
öffnen erstarrter Mund — man ist versucht, eher an einen Hofnarren, als an einen zutrinkenden, höfi-
schen Zecher zu denken, für den die Ehrenkette und der Barettschmuck zunächst zu sprechen scheinen.
Leuchtende, gelbrote Streifen im Besatz und Ärmel der großgemusterten hellen Schaube. Über dem plis-
sierten Hemd eine breite, ornamentierte Borte. Ein Mummenschanz-Kostüm oder eine närrische Livree?
Die vierfach beringten, derb gezeichneten Finger halten das hohe, grünliche, mit Stoff fast bis zur obe-
ren Ausbuchtung gefüllte Stangenglas. Das ausgefallene, wohl um 1500 entstandene Bild läßt sich schwer
bei einer der bekannten Stadtschulen unterbringen. Alpenländisch, Nordtirol sind noch die plausibel-
sten Vorschläge. Burgundisch ist es sicher nicht. Der rauhe Formdialekt paßt nicht zur höfischen Kul-
tur Burgunds. Narr oder Zecher — ein rares Stück ist es auf jeden Fall.

135a. MEISTER DER HABSBURGER (?), Bildnis Kaiser Friedrichs III.

Eng verwandt mit dem herben, rassigen Profilbildnis des alten Kaisers auf der Epiphanie des Meisters der
Habsburger (Textabb. 29) ist das hart und scbarf geprägte „Kopfstück“ auf Schloß Ambras (Abb. 127a) 1,
auf das mich noch kurz vor Torschluß Hans von Wieser freundlich aufmerksam gemacht hat. Ein eigen-
tümlich starrer, dekorativ-schlagkräftiger Typus des Fürstenbildnisses. Unter den seitlich gerafften, hart
sich brechenden Faltenbahnen eines rötlichviolett gefütterten Goldbrokatvorhangs erscheint, wie mit dem
Schnitzmesser herausgeholt, das maskenartige Geierprofil, wie eine unheimliche Inkarnation des Geizes.
Der kaiserliche Adler auf dem Wappenschild und die knorrige Inschrift „Fredericus tercius“ auf dem Sok-
kelstreifen verleihen dem herben Konterfei den Charakter eines dekorativ-emblematischenBildnis-Signets.
Wenn auch kaum von der flüssigen stilisierenden Hand des Habsburgermeisters selbst stammend, dürfte es
doch in seinen Kreis, wenn nicht in seine Werkstatt gehören.

1 Papier auf (erneuerter?) Eichentafel aufgezogen, 45 X 25 cm. Für Auskünfte über die Tafel bin ich Dr. Laurin Luckner
verpflichtet.

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