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Die Bücherstube: kleine Mitteilungen aus der Bücherstube — 2.1922/​1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.41355#0183
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IS9

Wir leben in einer alexandrinischen Renaissance, in einer Zeit, der das vordem
Selbstverständliche interessant geworden ist. Mit einer Leidenschaft, die in vergangenen
Zeiten für höhere Gegenstände glühte, betrachten, zerlegen und ordnen wir das eigent-
lich -Unwesentliche, jetzt wesentlich Gewordene. So ist es in der bildenden Kunst wie
in der Litteratur, und wer eines der neuen Klinggedichte liest, die Rilke an Orpheus
adressiert hat, weiß, was gemeint ist. Ein scholastisch-ästhetischer Kommentar zu Mal-
larms's Sonetten - die Möglichkeit, daß er geschrieben werde, ist nicht unmöglich —
wäre so etwas wie das Ziel, nach dessen Erreichung man wieder mit dem Eigent-
lichen beginnen könnte. Mcht, daß die Pflege des Unwesentlichen sinnlos wäre. Sie
ist immer notwendig, wenn der Geschmack verschüttet und die Form zerbrochen ist.
Goethe konnte sich noch mit Recht über den Bücherluxus in England ereifern, weil
die Bücher seiner Zeit auch im Äußeren den Charakter ihres Inhaltes erkennen ließen.
Der Verfall begann erst später. Er war vollendet, als Grisebach französische Vorbilder
nachzuahmen begann und durch seine Elzeviromanie das Interesse wieder aus
typographische Dinge lenkte. Die Wiedergeburt des typographischen Buches ging
nur langsam von statten, und bis zur Gründung der ersten deutschen Presse nach
englischem Muster verflossen noch viele Jahre. Das Streben nach einer Erneuerung
der Form fand seinen sichtbaren Ausdruck zunächst in der Gründung luxuriöser Zeit-
schriften. 3m Rahmen dieser periodischen Veröffentlichungen konnten sich die Künstler
entwickeln, welche für die neue Buchkunst später von Bedeutung sein sollten. Vieles,
was heute antiquiert anmutet, war für die damalige Zeit durchaus notwendig. Wenn
der „Pan" uns wie eine Stegesallee des Buchschmucks vorkommt, so ist schon die
wenige Jahre später entstandene „Insel" ein mit zarter Delikatesse gepflegter, im
Geschmack schon sehr sicher angelegter kleiner Park. Der später erschienene „Hyperton"
konnte des schmückenden Beiwerks bereits ganz entraten, er war auss rein Typo-
graphische gestellt, und die Bilder fanden ihren Platz aus Tafeln am Schluß eines
jeden Heftes. Durch diese Zeitschriften wurde der Boden bereitet, aus dem das rein
typographische Buch gedeihen konnte. In England waren schon früher jene privaten
Pressen entstanden, die der erneuerten deutschen Buchkunst den Weg weisen sollten.
Der Begriff Presse ist heute in Deutschland viel umstritten. Privatpressen im englischen
Sinne gibt es bei uns kaum, abgesehen von den Wirklichen Prtvatdruckereien der
Schriftgießereien, deren Erzeugnisse tatsächlich nicht in den Handel gelangen und nur
einem sehr kleinen Kreis von Sammlern zugänglich sind. Vatürlich besitzt der eine
oder andere Druckenthusiast eine eigene Presse, aus der er kleine Drucke für sich und
seine Freunde herstellt. So gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, die kurtose Dudel-
sack-Presse, deren Bibliographie in dem vorliegenden Heft Ausnahme fand. Diejenigen
Pressen jedoch, die zur typographischen Weiterentwicklung beizutragen sich die Auf-
 
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