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Künstler als Kartographen

Wohl um das Jahr 1507 faßte Alb recht Dürer den Entschluß, ein umfassendes
Lehrbuch der Malerei zu schreiben.1 Obschon diese von ihm konzipierte »Un-
terweisung der Lehrjungen in der Malerei« oder »Speis der Malerknaben«, wie
er sein Werk zu nennen gedachte, nie bis zur Drucklegung gedieh, haben sich
doch einige handschriftliche Notizen und Manuskriptentwürfe erhalten.2 Die-
se Texte zählen, obwohl sie bis weit über Dürers Tod hinaus nie das Licht der
Öffentlichkeit erblickten, zu den bedeutendsten Äußerungen nordalpiner Kunst-
theorie. Neben allgemein gehaltenen Ratschlägen für die Ausbildung und das
Studium der Malerei gibt Dürer in den erhaltenen Entwürfen des Vorwortes
auch eine Definition dessen, was er für die bedeutendsten Aufgaben der Kunst
hielt: »Dan dy kunst des molens würt geprawcht jm dinst der kirchen vnd dor-
durch angetzeigt daz leiden Christi, behelt awch die gestalt der menschen noch
jrem absterben.«3

Mit diesem vielzitierten Satz formulierte Dürer eine Auffassung, die sicher je-
der spätgotische Maler ebenso ausgesprochen haben könnte. Sie scheint auch
schon in Leon Battista Albertis Lehrbuch »De pictura libri III« auf, das 1435/36
in lateinischer und italienischer Sprache vorlag.4 Diesen Traktat mag Dürer ge-
kannt haben, zumindest war er ihm in der von Bernhard Walther gepflegten Bi-
bliothek Regiomontan in Nürnberg zugänglich.5 Letzterer hatte in Italien Al-
bertis Bekanntschaft gemacht und wurde von ihm hochgeschätzt. Von einer
seiner Reisen hatte er eine lateinische Handschrift von Albertis Werk mit nach
Deutschland gebracht, die sowohl im Verzeichnis seiner Bücher von 1512 wie
in dem von 1522 angeführt wird: 1512 als »de pictura babtis«, 1522 unter dem
Titel »Liber de Pictura L. Baptista de Albertis (Geometria)«.6 Daß Dürer dieses
Malerbuch allem Anschein nach gekannt hat, wird besonders deutlich, wenn
man die Einleitung des zweiten Buches von Albertis Traktat betrachtet. Dort
heißt es: »So ist es denn sicher, daß die Gestalt eines schon längst Verstorbenen
durch die Malerei ein langes Leben lebt. Und daß die Malerei die Götter, wel-
che von den Völkern verehrt werden, uns gegenwärtig mache, das ist sicher ein
hohes Geschenk für die Sterblichen, indem so die Malerei jene Frömmigkeit för-
 
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