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Vier Tage vor seinem Tod, am 12. Dezember des Jahres 1556, diktierte der Ant-
werpener Kaufmann Gilbert van Schoonbeke sein Testament. Seine Ehefrau Eli-
sabeth Hendricx setzte er zur Vollstreckerin seines letzten Willens und zum Vor-
mund seiner Kinder ein.1 Sein Schwager Sebastian van Utrecht sollte ihr zur
Seite stehen und ihr helfen, über das Wohl der sechs minderjährigen Kinder zu
wachen. Sie waren die eigentlichen Nutznießer seines Testaments: Der Ehefrau
fielen einzig ihre Juwelen und Kleider zu sowie das, was sie vor der Ehe beses-
sen hatte. Der gesamte Rest des Besitzes ging zu gleichen Teilen - »hoeftegeli-
jcke« - an die Kinder über.2 Gilbert van Schoonbeke war zu Lebzeiten durch
Grundstücksspekulation zu großem Vermögen gelangt und hatte ein gewalti-
ges Immobilienunternehmen aufgebaut, das es nun gerecht zu verteilen galt. In
Anbetracht der Tatsache, daß die Unternehmensstruktur so kompliziert war,
daß man bei seinem Tode nicht einmal feststellen konnte, ob Schulden oder
Guthaben überwogen, faßten die Witwe und ihr Berater Sebastian van Utrecht
den Entschluß, den Nachlaß unter notarieller Aufsicht zu ordnen und ein offi-
zielles Inventar - eine sogenannte »boedelbeschrijving« - erstellen zu lassen.3
Ein Jurist namens Jan Gillis, seines Zeichens Sekretär des Rates von Brabant,
wurde mit der Inventarisierung des Sterbehauses und einer Aufstellung sämtli-
cher Güter betraut.4 Gilbert van Schoonbeke war ein so reicher wie angesehe-
ner Mann gewesen, und die Ausstattung seines Hauses entsprach ganz dem, was
man von einem Antwerpener Großkaufmann des 16. Jahrhunderts erwarten
konnte. Das Nachlaßinventar, das Zimmer für Zimmer die gesamte Einrichtung
des Sterbehauses bis hin zu Kleidungsstücken verzeichnet, vermag einen Ein-
druck davon zu vermitteln.5 Jan Gillis begann seinen Rundgang durch das Haus
im Kontor des Verstorbenen; einem Büro, das eher funktional als dekorativ ein-
gerichtet war:6 Es gab einen Schrank, der dazu diente, die Korrespondenz auf-
zunehmen, fünf Siegelpressen, einen Schreibtisch, der mit zwei Schlössern ver-
sehen als Kasse benutzt worden war, ein mit drei Schlössern versehenes
Schränkchen mit diversen Fächern, ein viereckiges Geldzählbrett sowie drei ei-
senbeschlagene Truhen, in denen wichtige Verträge, Urkunden, Rechnungen
 
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