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Burckhardt, Jacob
Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens — Basel, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1179#0896
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Fresken und Altarbilder. gg j

Pal. Pitti kömmt. Ohne Lionardo's unendliche Energie sind es doch a
so gross aufgofasste Menschenbilder, zum Theil von wahrhaft himm-
lischem Ausdruck. Zwei rnnde Freseogemälde in derselben Academie, b
Madonnen, sind bei ihrer flüchtigen Ausführung als Linienprobleme
merkwürdig; in dem einen hat er offenbar hauptsächlich die vier Hände
und die beiden Füsse schön zu ordnen gestrebt. — Für den Einzel-
ansdruck ist sonst seine Kreuzabnahme (Pal. Pitti) das Haupt-c
werk. Mit welcher Macht wirken hier die beiden Profile des höchst
edel gebildeten Christus und der alles vergessenden Mutter, die ihm
noch den letzten Kuss auf die Stirne drücken will! mit welcher un-
trüglichen dramatischen Sicherheit ist der Schmerz des Johannes durch
Beimischung der körperlichen Anstrengung unterschieden! Kein Kla-
gen aus dem Bilde hinaus wie bei Van Dyck; keine vermeintliche Stei-
gerung des Eindruckes durch Häufung der Figuren wie bei Pemgino.

Die übrigen Bilder sind fast sämmtlich grandiose Constructionen,
mit strenger und im Einzelnen sehr schön aufgehobener Symmetrie.
"VVo die Charaktere ans seinem Innern kommen, sind es lauter Werke
ersten Banges.

Leider ist die einzige grössere Scene dieser Art, das Fresco eines d
jüngsten Gerichtes hei S. Maria la nuova (in einem Verschlag in
dem Hofe links von der Kirche) beinahe erloschen. Doch erkennt
man in dem herrliehen obern Halbkreise von Heiligen dieselbe Inspi-
ration, welche Rafael das Fresco von S. Severo in Perugia (1506)
and die obere Gruppe derDisputa (1508) eingab. Wenn es ein spä-
tes Werk ist, so entstand es unter der Rückwirkung Rafaels, der
wenige Jahre vorher gerade in dieser Beziehung vom Frate gelernt
zu haben scheint.

Von Altarbildern ist dasjenige im Dom von Lueea (hinterstee
Cap. links), eine Madonna mit zwei Heiligen, früh und ganz beson-
ders schön und seelenvoll. (Dagegen die grosse späte Madonna della f
»isericordia in S. Romano zu Lucca, links, zwar im Einzelnen vor-
trefflich, als Ganzes aber weniger unbefangen.) — In S. Marco zug
Florenz (2. Alt. r.) ein ebenfalls frühes sehr grosses Bild, welches
»•« Compositionsweise im Augenblick ihrer nahen Vollendung zeigt;
e Madonna glänzend edel und leicht gestellt; die beiden knieenden

"*• Cicerone. gg
 
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