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Burckhardt, Jacob
Die Cultur der Renaissance in Italien: ein Versuch — Basel, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.3478#0138

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134

r. Abschnitt

Die

Republiken.

- dung mit eincr noch ümner großen munieipalen Freiheit
und mit dem Dasein einer Kirche, die nicht, wie in Byzanz
und in der islamitischen Welt, mit dem Staat identisch
war — alle diese Elemente zusammen begünstigten ohne
Zweifel das Aufkomwen individueller Denkweisen, und
gerade die Abwesenheit des Partcikampfes fügte hier bie
nöthige Muße hinzu. Der politisch indifferente Privatmensch
mit seinen theils ernsten theils dilettantischen Beschäftigungen
möchte wohl in diesen Gewaltstaaten des XIV. Jahrhunderts
zuerst vollkommen ausgebildet aufgetreten sein. Urkunb-
liche Aussagen hierüber sind freilich nicht zu verlangen; bie
Novellisten, von welchen man Winke erwarten könnte, schildern
zwar manchen bizarren Menschen, aber immer nur in ein-
seitiger Absicht und nur so weit dergleichen die zu erzäh-
lende Geschichte berührt; auch spielt ihre Scene vorwiegenb
in republieanischen Städten.

Jn diesen letztern waren die Dinge wieder auf anbere
Weise der Ausbildung des individuellen Charaeters günstig.
Je häufiger die Parteien iu der Herrschaft abwechselten,
um so viel stärker war der Einzelne veranlaßt, sich zusam-
menzunehmen bei Ausübung uud Genuß der Herrschaft»
So gewinnen zumal in der florentinischen Geschichte Z bie
Staatsmänner und Volksführer eiu so kenntliches persön-
liches Dasein wie sonst in der damaligen Welt kaum aus-
nahmsweise Einer, kaum ein Jacob von Arteveldt.

Die Leute der unterlegenen Parteien aber kamen oft
in eine ähnliche Stelluug wie die Unterthanen der Tyran-
nenstaaten, nur daß die bereits gekostete Freiheit oder Herr-

^) Franco Sacchetti, in seincm 6axito1o (Rimo, xudl. äal koMnli,
x. 56) zählt nm 1390 über hundert Namcn von bedeutcnden Leuten
der hcrrschendcn Parteicn auf, welche bei seincn Gedcnkzeiten gestorbcn
seicn. So viele Mediocritätcn darnnter scin mochten, so ist doch das
Ganze ein starker Bcleg für das Erwachen dcr Jndividualität.
Ueber die des Filippo Viltani s. untcn.
 
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