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6. Abschnitt. So jst henn auch, was hier folgt, kein Urtheil, son-
dern eine Reihe von Randbemerkungen, wie sie sich bei
mehrjährigem Studium der italienischen Renaissance von
selber ergaben. Jhre Geltung ist eine um so beschränktere,
als sie sich meist auf das Leben der höhern Stände beziehen,
nber welche wir hier im Guten wie im Bösen unverhält-
nißmäßig reichlicher unterrichtet sind als bei andern euro-
päischen Völkern. Weil aber Ruhm und Schmach hier
lauter tönen als sonst irgendwo, so sind wir deßhalb der
'allgemeinen Bilanz der Sittlichkeit noch um keinen Schritt
näher.

Wessen Auge dringt in dre Tiesen, wo sich Charactere
und Schicksale der Völker bilden? wo Angeborenes und
Erlebtes zu einem neuen Ganzen gerinnt und zu einem
zweiten, dritten Naturell wird? wo selbst geistige Begabun-
gen, die man auf den ersten Blick für ursprünglich halten
würde, sich erst relativ spät und neu bilden? Hatte z. B.
der Jtaliener vor dem XIII. Jahrh. schon jene leichte Le-
bendigkeit und Sicherheit des ganzen Menschen, jene mit
allen Gegenständen spielende Gestaltungskraft in Wort und
Form, die ihm seitdem eigen ist? — Und wenn wir solche
Dinge nicht wissen, wie sollen wir das unendlich reiche und
feine Geäder beurtheilen- durch welches Geist und Sittlich-
keit unaufhörlich in einander überströmen? Wohl giebt es
eine persönliche Zurechnung und ihre Stimme ist das Ge-
wiffen, aber die Völker möge man mit Generalsentenzen in
Ruhe lassen. Das scheinbar kränkste Volk kann der Gesund-
heit nahe sein und ein scheinbar gesundes kann einen mäch-
tig entwickelten Todeskeim in sich bergen, den erst die
Gesahr an den Tag bringt.

Bewußtsein der Zu Anfang des XVI. Jahrh., als die Cultur der
Demoralisa- Renaissance auf ihrer Höhe angelangt und zugleich das po-
litische Unglück der Nation so viel als unabwendbar ent-
 
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