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Burckhardt, Jacob
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 3): Malerei (Nebst Register über alle drei Theile) — Basel, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.1182#0329
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Madonna. Glorien and Visionen. 1039

Die Santa conversazione (Madonna mit Heiligen) muss sich
nun, wie schon bei den spätem Venezianern, irgend einem Affect und
Moment bequemen, indem Madonna und das Kind zu einem der Hei-
ligen in eine besondere Beziehung treten, wobei sich dann auch die
Übrigen irgendwie betheiligen. Unzählige Male geschah diess z. B.
unter Coreggio's Ägide mit dem bedenklichen Sujet der Vermählung
der heil. Catharina. Aber noch häufiger wird Mutter und Kind aus
der Erdenräumlichkeit hinaus in die Wolken vernetzt und mit Engeln
umgeben; es beginnt das Zeitalter der Glorien und Visionen,
ohne welche zuletzt kaum mehr ein Altarbild zu Stande kömmt. Das
Vorbild ist dabei nicht eine Madonna von Foligno, sondern direct
oder indirect die Domkuppel von Parma mit der illusionären Unten-
sicht, der Wolkenwirklichkeit, den Engeischaaren. Dieser Art sind
mehrere Hauptbilder der Pinacoteca von Bologna, wie z.B. Guido'sa
schon erwähntes Bild des Pestgelübdes, in dessen unterer Hälfte
sieben Heilige knieen, zum Theil von dem bedeutendsten Ausdruck
der ihm zu Gebote steht; — Guercino's Einkleidung des S. Wil-b
heim von Aquitanien theilt mit seiner „Begräbniss der heil. Petronilla" c
(Gal. d. Capitols) den Übelstand, dass die himmlische Gruppe ausser
Verbindung mit der irdischen bleibt und doch zu nahe auf dieselbe
drückt, aber auch die breite, meisterlich energische Behandlung ist in
beiden Bildern dieselbe. (Auch wieder ein Beleg für die Vertauschung
der Santa conversazione gegen ein momentanes Geschehen; eigentlich
mussten nur der heil. Bischof Felix, S. Wilhelm, S. Philipp und S.
Jacob mit der Madonna auf Einem Bilde vereinigt werden.) — Luea
Giordano ist bei einem solchen Anlass von seinem unzerstörbaren
Temperament richtig geführt worden; seine Madonna del rosario (Mus. d
v. Neapel) schwebt unter einem von Engeln getragenen Baldachin auf
Wolken einher, während vorn S. Dominicus, S. Chiara u. a. Andäch-
tige verehrend ihrer harren; diese Übertragung der Glorie in eine
himmlische Procession war echt volksthümlich neapolitanisch und das
Einzelne ist auch danach gegeben. (Ein anderes grosses Bild vone
Luca in der Brera zu Mailand.) — Ins Masslose geht z. B. die Dop-
pelvision des Ercole Gennari (Pinac. v. Bol.); Madonna erscheintf
auf Wolken dem ebenfalls auf Wolken über stürmischem Meer schwe-
benden S. Nieeolö von Bari. Auch der Contrast der Glorien mit Mar-
 
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