Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 1): Antike Kunst — Leipzig, 1884

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17367#0094
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
TT. SCULPTÜE.

^Nur schwer und allmälig öffnet sich dem Laien das Verständniss
für die Sculptur. Die Gesetze und Bedingungen, unter welchen sie
das Schöne hervorbringt, sind so vielfältig und liegen zum Theil so
versteckt, dass sehr viel Zeit, Uebung und Verkehr mit Bildhauern
dazu gehört, um sich auch nur in den Vorhallen dieser Kunst zurecht-
zufinden. Viele unter den antiken Werken sprechen freilich so laut
und von selbst, dass auch der gleichgültigste Beschauer auf irgend
eine Art davon angeregt wird; daneben bleibt aber vielleicht das
Allertrefflichste unbemerkt, wenn Auge und Sinn nicht eine gewisse
Vorschule durchgemacht und nach bestimmten Vorsätzen suchen und
forschen gelernt haben.

Es giebt einen Weg zum Genuss an der Hand der antiken Kunst-
geschichte. Sie lehrt epochenweise, wie das Schöne geworden, welchen
Zeiten, Schulen und Künstlern die Schöpfung und Ausbildung der
wichtigsten Elemente desselben angehört; sie weist in den wenigen
vorhandenen Urbildern und in den zahlreichern Wiederholungen diese
ihre Resultate oft mit völliger Sicherheit nach. Allein diese setzt
beträchtliche Studien und einen bereits sehr geschärften Blick voraus.
Wer unvorbereitet aus dem Norden in die Galerien Italiens tritt, wird
sich die Schätze derselben auf eine andere Art aneignen müssen.

Die Griechen verlangten von ihren Künstlern nicht Originalität
im heutigen Sinne, d. h. nicht ewig abwechselnde Aufgaben und
Darstellungsweisen; wenn für irgend einen Gegenstand der höchste
Ausdruck einmal gefunden war, so blieb derselbe Jahrhunderte lang
maassgebend. Es bildeten sich stehende Typen oder Darstellungs-
weisen und (was momentane Stellung oder Bewegung anbetrifft)
stehende Motive. An diese halte sich der Laie, ihnen suche er
zunächst das Mögliche abzugewinnen. Das geschichtliche Interesse
wird sich mit der Zeit von selbst hinzufinden, wenn man unter den
verschiedenen Exemplaren derselben Darstellung das Bessere und das
Geringere, das Frühere und-das Spätere, das Original und die Copie
mit einander vergleichen gelernt hat.

Eine Anzahl glänzender Ausnahmen abgerechnet, besteht der
ungeheure Vorrath der Museen Italiens nicht aus Originalwerken
 
Annotationen