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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 2,2): Mittelalter und Renaissance: Plastik und Malerei — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17369#0023
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Niccolö Pisano.

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kungsvollen, den allgemeinen Eindruck wie die Vollendung des Details
sehr hebenden Weise. Die zwar nur dürftigen Reste der Bemalung
beweisen dies hinreichend.

In der Wahl seiner Gegenstände, in der Auffassung und Wieder-
gabe wie in der Anbringung derselben lehnt sich Niccolö durchaus
an seine Vorgänger an: seine bilderreichen Darstellungen sind die alten
typisch kirchlichen für die Ausschmückung der Kanzeln sowohl wie
der Grabmäler und Kirchenfassaden. Aber wie er der Form der
Kanzeln, der Anordnung der Figuren und Reliefs an denselben eine
in ihrer Art vollendete Gestalt giebt, so erhalten auch die altkirch-
lichen Darstellungen durch ihn in ihrer Zusammenstellung eine ganz
neue, durchdachte geistige Belebung.

Dies beweist schon das früheste datirte Werk des Niccolö, die
Kanzel im Battistero zu Bisa (vollendet 1260), in welcher der»
Charakter des Meisters wohl am eigensten ausgesprochen, die Aus-
führung- am gleichmässigsten und zumeist von eigener Hand ist. Die
Form der Kanzel ist die eines Sechsecks. Sie ruht auf einer Mittel-
säule und sechs schlanken Ecksäulen, von denen drei auf dem Rücken
schreitender Löwen stehen. Die Säulen sind durch Kleeblattbogen unter
sich verbunden. In den Zwickeln sind die Relieffiguren von Sibyllen
und Propheten mit Spruchbändern angebracht. An den Ecken stehen
zwischen ihnen auf dem Gesims über den Säulencapitälen die Statuen
der christlichen Tugenden. Die fünf Felder der Kanzelbrüstung,
welche durch Säulenbündel getrennt sind, enthalten die Reliefs der
Verkündigung und Geburt, der Anbetung der Könige, der Darstellung-
Christi, der Kreuzigung und des jüngsten Gerichtes. Zwischen zwei
dieser Reliefs steht auf einem Säulenbündel der Adler als Träger des
Lesepultes, und am Fusse der Treppe ist ein zweites freies Lesepult
auf einer Säule angebracht, die auf einem ruhenden Löwen steht,
während das Pult selbst hier von einem Engel getragen wird. In
der ganzen Folge ist in ebenso sinniger als deutlicher und dem Zwecke
der Kanzel entsprechender Weise die Verherrlichung des Evangeliums,
das Leben des Erlösers, zur Darstellung gebracht. Namentlich die
drei ersten Reliefs, die Freifiguren und die Thiere zeigen den Meister
auf seiner Höhe. Auch ist hier der Einfluss antiker Vorbilder be-
sonders deutlich: der hohe Priester mit dem Knaben daneben ist
nach dem indischen Bacchus, die Pferde sind nach denen der bacchi-
schen Vase im Camposanto (Nr. 52) copirt; vom Phädra-Sarkophag
(Nr. 21) sind die Phädra und die Amme als Maria und als Hanna in
der Anbetung wiedergegeben. Die Gestalt einer antiken komischen
Kindermaske findet sich als teuflisches Wesen im Jüngsten Gericht,
das Porträt einer Matrone auf einer etruskischen Aschenkiste als
Maria in der Geburtsscene angebracht u. s. f.

Dieser Kanzel am nächsten vei-wandt und daher wohl ziemlich
 
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