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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 2,2): Mittelalter und Renaissance: Plastik und Malerei — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17369#0042
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Sculptur des Mittelalters.

a d' Andrea Calderini (f 1348) im Museo Civico, beides befan-
gene Arbeiten.

Sonst geben z. B. die Sculpturen amobern Theil des Domportals
b zu Ferrara einen Maassstab für dasjenige, was etwa um 1300 unab-
hängig von den Pisanern in diesen Gegenden erreicht wurde. (Ma-
donna; das Weltgericht als Fries; darüber im Giebel der Weltrichter
mit Heiligen und musicirenden Aeltesten; weiter unten zu beiden
Seiten Abrahams Schooss und der Schlund der Hölle.) Bei mancher
Ungeschicklichkeit sind doch Köpfe und Gewandmotive fast durch-
gängig energisch und in ihrer Weise schön, das Ganze völlig aus
Einem Guss.

In den Marken hat F a n o im Grabmal der Paola Bianca Mala-
c testa (f 1398) zu S. Francesco ein im Aufbau originelles und klares
Denkmal später Gothik aufzuweisen.

Nächst der Pisaner Bildnerschule in den drei Vororten Toscanas
ist wohl Venedig derjenige Punkt Italiens, wo die Sculptur des
gothischen Stiles ihre wichtigste Werkstätte hatte. Die venezianische
Malerei des 14. Jahrb.., sowohl die noch byzantinische als die halb
giotteske, steht an innerer Bedeutung wesentlich hinter der gleich-
zeitigen Sculptur zurück. Die mangelnde Grossräumigkeit der Ge-
bäude führte bei sonst reichen Mitteln von selbst auf einen Ersatz
durch plastischen Schmuck, und bei einem so durchgehenden Bedürf-
niss konnte sich auch eine Schule und eine Tradition entwickeln.

Eine gewisse Einwirkung der Pisaner Schule ist wohl
nicht zu leugnen, obgleich die Tradition, dass Niccolö wie Giovanni
Pisano in Venedig thätig gewesen seien (s. Architektur), und dass
Andrea sogar an der Fassade von S. Marco mitgearbeitet habe,
weder urkundlich noch durch die Monumente selbst bezeugt oder
nur wahrscheinlich gemacht wird. Man sieht am vordem Portal
d von S.Maria de' Frari eine treffliche Madonnenstatue, welche
grade dem Niccolö zugeschrieben wird und wenigstens EinfLuss der
Pisaner Schule zeigt, welcher sich am naturgemässesten auf die
Thätigkeit Giovanni's in der Arena zu Padua zurückführen lässt.
Ausserdem aber hat auch der Norden auf die venezianischen Bildner
eingewirkt, wie sich dies in der eigenthümlichen Bundung der
jugendlichen Köpfe, in der grösseren Strenge der Gewandung und
in den ausgeschwungenen Stellungen kund giebt. Leider fehlt es
uns sehr an geschichtlichen Anhaltspunkten, namentlich für die
Künstler der hervorragendsten Werke, für den Schmuck des Dogen-
palastes und von S. Marco; doch geht mit Sicherheit aus den weni-
gen Daten hervor, dass die Entwicklung in Venedig hinter der in
Toscana um mehr als ein halbes Jahrhundert zurück war, und dass
 
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