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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 2,2): Mittelalter und Renaissance: Plastik und Malerei — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17369#0106
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Sculptur des 15. Jahrhunderts.

sie die grössere Naivetät und eine gewisse Schüchternheit voraus
haben. An den Schrägen und im Bogen der Thür im gleichen male-
rischen Flachrelief die Propheten in kleinen Halbfiguren. Auch die
Freifiguren: die sitzende Madonna, zu ihren Seiten die hh. Petronius
und Ambrosius (nicht von Dom. Aimo!), sind gleichfalls für Quercia
durchaus charakteristische, verhältnissmässig sehr durchgebildete Ge-
stalten, namentlich die bei ihrer Grossartigkeit zugleich fast anmuthige
Gruppe der Maria mit dem Kinde.

a Bologna besitzt ausserdem im Museo Civico noch zwei Reliefs
von Quercia (Gegenstücke): die thronende Maria mit dem Kinde,
darüber im Spitzbogen drei sich umarmende Engel, und den Erz-
engel Michael mit einer Sibylle im Bogen; die Gestalt des Michael
sehr energisch, die Engel von seltener Lieblichkeit. — Bedeutender,
ja ein Hauptwerk des Künstlers, ist das Grabmal des Antonio

b Galeazzo Bentivogli in S. Giacomo Maggiore (angebl. von
1430), ein Professorengrab nach dem Vorbilde derartiger, früher er-
wähnter gothischer Grabdenkmale Bologna's und, wie diese, auf
gothischen Kragsteinen an der Wand angebracht: die Gestalt des
Todten, in Hochrelief, bei aller Hässlichkeit von grosser Individualität;
ähnlich lebensvoll das Relief, in welchem Bentivogli inmitten der
begeistert seinem Vortrage lauschenden Schüler dargestellt ist; die
Madonna zwischen den hh. Petrus und Paulus oben auf dem Grab-
mal den Figuren in S. Martino zu Siena sehr ähnlich, während die
vier Statuetten der Tugenden, namentlich die des Glaubens, einen
seltenen Liebreiz besitzen. . Das Ganze ist von ungewöhnlich sauberer
Durchführung.

Ein tüchtiges Werk in der Art des Quercia ist die lebensgrosse
c Statue einer jugendlichen Sibylle aussen am Dom von Orvieto
(1. Pfeiler der 1. Seite), von edler Haltung und eigenthümlich weicher
Behandlung des Nackten.

Neben Quercia, wenn auch sehr hinter ihm zurückstehend und
von ihm abhängig, tritt gleichzeitig in Siena wenigstens eine Künstler-
familie mit einiger Originalität hervor: Turino dt Sano und seine
Söhne Barna, Lorenzo und Giovanni di Turino, letzterer (f um 1454)
die eigentlich künstlerische Kraft. Die bedeutendste gemeinsame Ar-
beit sind die beiden Bronzereliefs am Taufbrunnen von S.

d Giovanni: Geburt und Predigt des Johannes (1417—1427). Individuell
in den Gestalten, klar in der Composition und theilweise recht lebens-
voll beschliessen sie nicht ganz unwürdig den Cyclus des Ghiberti,
Donatello und Quercia. Von Giovanni allein rühren drei von den

e Bronzestatuetten der Tugendeji her, die zwischen den Reliefs an-
gebracht sind, nämlich Liebe, Gerechtigkeit und Weisheit, ganz unter
Quercia's Einfluss geschaffen. Eine gemeinsame Arbeit, 1429 vollen-
 
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