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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 2,2): Mittelalter und Renaissance: Plastik und Malerei — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17369#0263
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Realismus. Flandrischer Einfluss.

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druckes nicht fähigen Theilen der Menschengestalt und von der äussern
Umgebung nur das Nothwendige mitgegeben wird. Sehr wesentlich
ist hiebei jene allgemeine Feierlichkeit der Gewandung, welche schon
durch ihren Contrast mit der Zeittracht, durch ihre Stofflosigkeit
(die weder Sammt noch Seide unterscheiden will) und noch mehr
durch eine geheimnissvolle Ideenassociation, die wir nicht weiter ver-
folgen können, den Eindruck des mehr als Zeitlichen und Irdischen
verstärken hilft.

Jetzt beginnt dagegen ein begeistertes Studium des Nackten und
der menschlichen Gestalt und Bewegung überhaupt; auch im Wurf
der Gewänder will man den einzelnen Menschen und den gegebenen
Moment charakterisiren; die einzelnen Stoffe werden dargestellt, in
Staffeleibildern sogar mit unerreichbarem Raffinement: die möglichst
reiche Abwechslung der Charaktere und die malerischen Contraste
der handelnden Personen werden zum wesentlichen Princip, so dass,
-abgesehen vom kirchlichen, zuweilen sogar der dramatische Eindruck
unter der Ueberfülle leidet. Endlich bildet sich ein ganz neues Raum-
gefühl aus; wenn die Maler des 14. Jahrh. die gegebenen Mauer-
flächen so viel als möglich mit menschlichen Gestalten ausfüllen, so
entwickelt sich jetzt die Thatsache, das ,,Geschehen", bequem in
weiten Räumen,' so dass Nähe und Entfernung, Vor- und Rückwärts-
treten als wesentliche Mittel der Verdeutlichung dienen können; —
wenn das 14. Jahrh. die Oertlichkeiten nur andeutete, soweit sie zum
Verständniss unentbehrlich waren, so wird jetzt eine wirkliche Land-
schaft und eine wirkliche Architektur mehr oder weniger perspec-
tivisch abgeschildert.

Bei diesem Interesse für die Einzelerscheinung konnte die Tren-
nung der Malerei in verschiedene Gattungen nicht lange ausbleiben;
bald nimmt die profane, hauptsächlich mythologische, allegorische
und antik-geschichtliche Malerei einen wichtigen Platz ein.

Im Norden wird dieser grosse Umschwung in wesentlich verschie-
dener Weise bewerkstelligt durch die Gebrüder van Eyck, die ihr
strahlendes Licht weit über das ganze Jahrhundert, über die ganze
deutsche, französische und spanische Kunst werfen.

Auch die Kunst des Südens nahm bei Zeiten aus den weitver-
breiteten Werken der grossen Flandrer Dasjenige an, was ihr gemäss
war; keine italienische Schule (mit Ausnahme einzelner Meister von
Neapel) ist von ihnen in den Hauptsachen bedingt, aber auch keine
blieb von ihrem Einfluss ganz unberührt. Die Behandlung der Ge-
wandstoffe und Schmucksachen, namentlich aber der Landschaft zeigt
vielfach flandrische Art; als viel wichtiger noch galt die zwar selb-
ständig von verschiedenen italienischen Malern erstrebte, aber ein-
gestandener Maassen erst von den Flandrern erlernte „Oelmalerei",
d. h. die Anreibung der Farben durch Firnisse, welche eine bisher
 
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