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Malerei des 16. Jahrhunderts.
den Madonna besonders schön ist; — ein früherer Entwurf des Welt-
gerichtes und verschiedene Studien dazu —; ein vielleicht von Michel-
angelo begonnenes grosses Bild der h. Familie, das er aber den vielen
Verzeichnungen und Robheiten zufolge schwerlich selbst ausgemalt
a haben kann. — In der Brera zu Mailand (Nr. 266) die ehemals in
Rafaels Besitz befindliche (und ihm selber trotz der von seiner Hand
herrührenden Unterschrift „Michelle angelo bonarota" beigelegte)
Tuschzeichnung des sog. Götterschiessens, il Bersaglio de' Dei, eine
alte Copie der köstlichen Rötheizeichnung in Windsor (um 1530);
nackte Gestalten, aus der Luft niedersausend, zielen mit höchster
Leidenschaft nach einer mit einem Schilde gegen ihre Pfeile ge-
schützten Herme, indess Amor auf der Seite schlummert — eine Ver-
bildlichung von Lucians Fabel im Nigrinus, dass die Menschen wie
Bogenschützen mit ihren Pfeilen auf das Gemüth schiessen; eine
herrliche Gruppe aus bereits knieenden, laufenden und noch schwe-
benden Figuren zu einem unvergleichlichen Ganzen gebildet. Diese
Zeichnung hat eines der drei Frescobilder wiederholt, welche aus der
b sog. Villa di Raffaelle in den Pal. Borghese zu Rom (IX. Saal)
übergegangen sind.
Andere Compositionen existiren nur in Ausführungen von der
Hand der Schüler. — Ich zweifle, dass das Bild der drei Parzen im
c Pal. Pitti unbedingt in diese Categorie gehört; Michelangelo hätte
einen solchen Gegenstand gewaltiger aufgefasst. — Mehrmals (z. B.
d Pal. Sciarra und Pal. Corsini in Rom) kommt eine h. Familie
von besonders feierlicher Intention vor; Maria auf einer Art von Thron
sitzend, legt eben das Buch weg und sieht auf das fest schlafende,
grandios auf ihrem Knie liegende Kind; von hinten schauen Joseph
und der kleine Johannes lauschend herüber. — In der Sacristei des
e Laterans: eine Verkündigung, von Marcello Venusti ausgeführt.—
Christus am Oelberg, nicht eben glücklich in zwei Momente ge-
f schieden, u. a. im Pal. Doria zu Rom. ■— Von der Pietä und dem
Crucifixus weiss ich kein Exemplar in italienischen Sammlungen an-
zugeben, ebenso wenig von den berühmtesten seiner mythologischen
Compositionen: Ganymed und Leda (Orig. im Magazin der National-
I iallery zu London), während Venus von Amor geküsst im Original-
g Carton im Museum von Neapel erhalten ist, wo auch eine Wieder-
holung von Ang. Bronzino l).
Einen höhern Rang nehmen natürlich solche Bilder ein, welche
unter Michelangelo's Augen ausgeführt wurden, hauptsächlich durch
Sebastiano del Piombo. Doch dürfen wir wohl kaum für eine einzige
!) Von den gemalten Porträts des Michelangelo ist dasjenige in der Capi-
* tolinischen Galerie (laut Platner von MarcelloVenusti) wohl das beste. Das-
** jenige in denüffizien scheint eine unbedeutende Arbeit des 17. Jahrh. zu sein.
Malerei des 16. Jahrhunderts.
den Madonna besonders schön ist; — ein früherer Entwurf des Welt-
gerichtes und verschiedene Studien dazu —; ein vielleicht von Michel-
angelo begonnenes grosses Bild der h. Familie, das er aber den vielen
Verzeichnungen und Robheiten zufolge schwerlich selbst ausgemalt
a haben kann. — In der Brera zu Mailand (Nr. 266) die ehemals in
Rafaels Besitz befindliche (und ihm selber trotz der von seiner Hand
herrührenden Unterschrift „Michelle angelo bonarota" beigelegte)
Tuschzeichnung des sog. Götterschiessens, il Bersaglio de' Dei, eine
alte Copie der köstlichen Rötheizeichnung in Windsor (um 1530);
nackte Gestalten, aus der Luft niedersausend, zielen mit höchster
Leidenschaft nach einer mit einem Schilde gegen ihre Pfeile ge-
schützten Herme, indess Amor auf der Seite schlummert — eine Ver-
bildlichung von Lucians Fabel im Nigrinus, dass die Menschen wie
Bogenschützen mit ihren Pfeilen auf das Gemüth schiessen; eine
herrliche Gruppe aus bereits knieenden, laufenden und noch schwe-
benden Figuren zu einem unvergleichlichen Ganzen gebildet. Diese
Zeichnung hat eines der drei Frescobilder wiederholt, welche aus der
b sog. Villa di Raffaelle in den Pal. Borghese zu Rom (IX. Saal)
übergegangen sind.
Andere Compositionen existiren nur in Ausführungen von der
Hand der Schüler. — Ich zweifle, dass das Bild der drei Parzen im
c Pal. Pitti unbedingt in diese Categorie gehört; Michelangelo hätte
einen solchen Gegenstand gewaltiger aufgefasst. — Mehrmals (z. B.
d Pal. Sciarra und Pal. Corsini in Rom) kommt eine h. Familie
von besonders feierlicher Intention vor; Maria auf einer Art von Thron
sitzend, legt eben das Buch weg und sieht auf das fest schlafende,
grandios auf ihrem Knie liegende Kind; von hinten schauen Joseph
und der kleine Johannes lauschend herüber. — In der Sacristei des
e Laterans: eine Verkündigung, von Marcello Venusti ausgeführt.—
Christus am Oelberg, nicht eben glücklich in zwei Momente ge-
f schieden, u. a. im Pal. Doria zu Rom. ■— Von der Pietä und dem
Crucifixus weiss ich kein Exemplar in italienischen Sammlungen an-
zugeben, ebenso wenig von den berühmtesten seiner mythologischen
Compositionen: Ganymed und Leda (Orig. im Magazin der National-
I iallery zu London), während Venus von Amor geküsst im Original-
g Carton im Museum von Neapel erhalten ist, wo auch eine Wieder-
holung von Ang. Bronzino l).
Einen höhern Rang nehmen natürlich solche Bilder ein, welche
unter Michelangelo's Augen ausgeführt wurden, hauptsächlich durch
Sebastiano del Piombo. Doch dürfen wir wohl kaum für eine einzige
!) Von den gemalten Porträts des Michelangelo ist dasjenige in der Capi-
* tolinischen Galerie (laut Platner von MarcelloVenusti) wohl das beste. Das-
** jenige in denüffizien scheint eine unbedeutende Arbeit des 17. Jahrh. zu sein.