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Burckhardt, Jacob
Briefe an einen Architekten: 1870-1889 — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.29617#0265
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238

BASEL

81.

Basel, 20. März 1885.

Nach fast zwei Monaten komme ich endlich dazu, um
Ihnen zu danken für den schönen Brief und die Beilagen!
Der Frauenkopf ist höchst intim und lebendig aufgefasst
und herrlich wiedergegeben, wobei ich kaum zu fragen
wage: ist es Crayon oder was sonst? Es muss unendlich
leise gezeichnet sein, sonst schiene nicht überall das Ivorn
des Papieres durch. Die drei Radierungen zeigen wieder
einen merkwürdigen Fortschritt ins Freie und Sichere.
Die meiste Gunst wird wohl die Dame mit dem Bukett
finden, aber am meisten Poesie hat der Hohlweg, an
welchem ich nur die nächste Baumgruppe unten im
Mittelgrund noch würde mit ins Licht gezogen wün-
schen. Ich wiederhole: Sie wären schon jetzt eine wahre
Akquisition für einen Luxusediteur.

Die zwei „Weiber, welche Sie zusammengeknorzt“
haben, werden sich nicht so übel zusammen ausnehmen,
denke ich. Dass die Szene im landschaftlichen Freien, im
offenen Licht vor sich geht, kann dem Bilde Gunst schaf-
fen, denn am renferme, an Prachtzimmern, deren Mobi-
liar man längst kennt, bekommt der Beschauer geschwin-
der genug. Ich bin nun begierig, ob die Vorlesende lacht
oder die andere eher trauert? — Ob sie stehen, gehen
oder sitzen? — Ob der Fond eine hellbeschienene Spa-
liermauer oder ein ferner Park ist oder ein Wald mit
einer Villa in der Ferne? Ob es ein Breitbild oder ein
Hochbild wird? Verraten Sie gelegentlich etwas hier-
über.

Das Souper bei X., zu dessen Fortsetzung als Wein-
 
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