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Burger, Fritz; Schmitz, Hermann; Beth, Ignaz; Burger, Fritz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]
Die deutsche Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band 3): Oberdeutschland im 15./16. Jahrhundert — Berlin-Neubabelsberg: Akad.Verl.-Ges. Athenaion, 1919

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.61917#0020
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VORLIEBE FÜR SEEDARSTELLUNGEN


10. Lucas Moser: Seefahrt der Heiligen. Tiefenbronn, Kirche.

Auf einer „Anbetung der Könige“
im Bayerischen Nationalmuseum
(Abb. 9), die aus Immenstadt am
Bodensee stammt, ist mit ganz
robinsonartiger Freude eine Masse
von landschaftlichen Einzelheiten
ausgepackt, die den ganzen Jubel
dieser Menschen ahnen läßt. Da ist
ein See, schmal wie ein Fluß, weil
eingeengt durch felsenstarrende
Ufer, hinter denen unvermittelt
hohe Berge aufsteigen, über und
über mit Burgen und Schlössern be-
deckt. Dazwischen Tannenwälder,
zum Teil den Wasserspiegel über-
schneidend, weidende Herden, Häu-
ser, Menschlein, Vögel, Blumen und
darüber duftig schwebende Wölk-
chen: es ist wie eine „Weltchronik
des Bodensees“; man vergißt fast
den prunkvollen Zug der Könige,
dem nur das vordere Rasenstück
Vorbehalten bleibt. Zum erstenmal
wird hier eine heilige Geschichte
zum Vorwand einer Landschafts-
schilderung genommen. Man denkt
etwa an Altdorfers „St. Georg“
(Burger, I, Abb. 66), der so gründ-
lich im Walde versinkt, daß man ihn
erst suchen muß: ein echt deutsches
kosmisches Gefühl der Einheit mit
und in der Natur. — Auf diesem
Bilde sind noch die Schiffchen über
den See recht willkürlich verteilt,
eigentlich wahllos darüber ausge-
schüttet. Moser zeigt in seinem
linken Flügel des Tiefenbronner
Altars (Abb. 10) den Ehrgeiz, eine
Seelandschaft zu schildern. Mit
kühnem Entschluß bringt er im Vor-
dergrund eine Barke mit Heiligen an,
gegen welche die winzigen Schiff-
chen des Hintergrundes nicht auf-
kommen und erzeugt mit einem Male
die Illusion der Weiträumigkeit. Der
Wimpel am Mast überschneidet auch

die fernen Berge am Horizont. Aber noch ein anderes Mittel dient demselben Zweck, wenn auch nicht in dem-
selben Grade: das Wellengekräusel, das in hübschem Ornament sich immer verjüngender Kurven die ganze
Wasserfläche bedeckt. Die raumschaffende Wirkung dieser Mittel ist um so höher zu bewerten, als die Perspek-
tive noch ganz falsch ist und für unsere Augen der Wasserspiegel noch nach hinten zu hochzusteigen scheint. —
Auch hier ist es Witz, der die richtige Lösung gibt. In seinem „Fischzug“ (Abb. 11) in Genf setzt er vorne
mit dem flachen Ufer ein, das mit Steinen und Seepflanzen bedeckt ist, dann führt er uns rechts um das Wasser
herum, entlang an Wasserbauten und Mühlen, allmählich bis an die Sträucher der gegenüberliegenden Seite.
Und da bricht er nicht etwa mit einigen Verlegenheitsbergen ab, wie Moser, sondern läßt die hügelige Vor-
 
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