Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burger, Fritz; Schmitz, Hermann; Beth, Ignaz; Burger, Fritz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]; Schmitz, Hermann [Contr.]; Beth, Ignaz [Contr.]
Die deutsche Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band 3): Oberdeutschland im 15./16. Jahrhundert — Berlin-Neubabelsberg: Akad.Verl.-Ges. Athenaion, 1919

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.61917#0053
License:
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ELSÄSSISCHE GLASGEMÄLDE UND BILDTEPPICHE. MEISTER ES

533

Gleichzeitig mit Isenmann tritt im Elsaß eine Glasmalerwerkstatt auf, deren Sitz
wahrscheinlich in Straßburg war, die einen ganz ähnlichen naturalistischen Stil aufweist.
Die Jahreszahl 1461 tragen die Glasgemälde im Chor der Kirche in Walburg bei Straßburg,
deren dem Isenmann verwandte Passionsdarstellungen als früheste Beispiele farbige, mit
großen Granatapfelmustern verzierte Hintergründe zeigen. Feurige bunte Gläser und
kraftvolle Schwarzlotmodellierung ist diesen Fenstergruppen eigentümlich; ebenso wie die
kräftigbunten, stark modellierten Ölfarben in der Tafelmalerei nun herrschend werden. Aus
dieser Glasmalerwerkstatt geht der fruchtbarste süddeutsche Glasmaler Hans Wild hervor,
dessen schönste Leistung in Straßburg selbst, die Glasgemälde von 1480 in der Magdalenen-
kirche vor einigen Jahren durch Feuer zugrunde gegangen sind. Keine Stadt hat überhaupt
so viel wie Straßburg von den Erzeugnissen seiner älteren Kunst eingebüßt. Und dabei ist
die Stadt, schon als Hauptort der deutschen Steinmetzenhütten, zweifellos das wichtigste
Zentrum der Kunst im Südwesten Deutschlands gewesen; auch Dürer fand hier bei seiner
Wanderung Anfang der neunziger Jahre einen Lehrer.
Endlich gingen aus Klöstern Straßburgs und der Nachbarschaft eine Reihe durch
anmutige Erzählung ausgezeichneter gewirkter Bildteppiche mit Heiligenlegenden und
Minnepoesien hervor, deren noch eine Anzahl im Kloster Odilienberg und in Straßburg und
anderwärts erhalten sind. In diesen Bildteppichen und noch mehr in einzelnen Elsässer
Glasgemälden der siebziger Jahre, z. B. einem solchen in St. Georg in Schlettstadt, in einigen
Stifterfiguren im Clunymuseum und in Passionsszenen in der oberen Pfarrkirche in Zabern
kann man eine Berührung mit dem Meister ES von 1460 wahrnehmen.
Der Meister ES, dieser ungemein fruchtbare und anmutige Kupferstecher, nach dem
Buchstaben auf einzelnen seiner Blätter genannt, war von etwa 1460—80 am Oberrhein, in
dem südlichen Schwaben, vielleicht in Straßburg und Basel tätig. Isenmanns hagere, elegante,
mit übereinandergestellten Beinen einhertänzelnde Modegestalten, die hübschen Frauen mit
aufgeflochtenen Zöpfen, der scharfe Faltenstil finden sich auch in den Stichen des Meisters E S
(Abb. 45, 46). Ein Zusammenhang besteht auch zwischen ihm und dem früher genannten
Spielkartenmeister, der ebenfalls am Oberrhein um die Jahrhundertmitte gewirkt hatte. Ein
Vergleich zwischen beiden Stechern macht aber die um 1450—60 eingetretene Stilumwälzung
offenbar: hagere, in den Gelenken zierlich bewegte, spitzig einherschreitende Jünglingsgestalten
in kurzen knappen Wämsern, sich anschmiegenden Hosen und spitzen Schnabelschuhen, die
Frauen mit engen Ärmeln, hohen zugespitzten, die kleinen Brüste zeigenden Leibchen und
faltenreichen, vorn aufgerafften Röcken treten an die Stelle der untersetzten, viel schlichteren
Figuren des Spielkartenmeisters. Eckig, in kleinen Brüchen geknickte Falten an Stelle der
noch fließenden Gewandlinien. Die mit kleinen Strichen und Häkchen modellierende Kupfer-
stichtechnik geht über den Spielkartenmeister in der Tonwirkung hinaus. Neben das religiöse
Stoffgebiet (Bd. I, Abb. 115) stellen sich ebenbürtig die weltlichen Gegenstände. Namentlich
sind es Minneszenen, Bilder aus dem Leben der ritterlichen und patrizischen Gesellschaft,
Jünglinge und Mädchen beim Minnespiel, Wappenhalter, Kartenspiele, Tiere, Vögel usw.
Hier kommt das rege Naturgefühl der Zeit, ihr Sinn für das einzelne, die erwachte Freude
am Alltäglichen, an der eigenen Erscheinung in köstlicher Weise zu Worte. Eine Anzahl von
Goldschmiedeentwürfen des Meisters ES — darunter eine große Monstranz im Berliner
Kupferstichkabinett —, deutet auf die enge Beziehung der oberrheinischen Kupferstiche zu den
Goldschmieden hin. Die Erfindung des Kupferstichs ist wahrscheinlich in oberrheinischen
Goldschmiedwerkstätten erfolgt, zunächst wurden hier Abdrücke von Metallgravierungen ohne
 
Annotationen